Von Mareice Kaiser

„Ich lese manchmal in Geschichtsbüchern, weil ich muss, aber alles, was darin steht, ärgert mich entweder oder es langweilt mich. Die Fehden von Päpsten oder Königen und dazu Kriege oder Seuchen auf jeder Seite, die Männer alle zu nichts zu gebrauchen, und fast keine Frauen dabei – das ist furchtbar öde.“ Dieses Zitat von Jane Austen haben Kerstin Lücker und Ute Daenschel ihrem gerade erschienenen Buch „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ vorangestellt. Darauf folgen 528 Seiten, die alles andere als öde sind und sich an Erwachsene, vor allem aber an Jugendliche richten. Denn, wie die Autorinnen rhetorisch fragen: „Warum muss ich erst erwachsen werden, um zu erfahren, dass es in der Geschichte auch Frauen gab?“

Die Autorinnen Kerstin Lücker und Ute Daenschel © privat

„Ein Puzzle, in dem viele Teile fehlen“ – so beschreiben sie die Weltgeschichte. Kerstin Lücker und Ute Daenschel haben die „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ aufgeschrieben und sich dabei auf die Suche nach bisher fehlenden Puzzleteilen gemacht. Als Grund für die Geschichte(n) ohne Frauen geben sie an, dass Care-Arbeit für sehr lange Zeit und mehr oder weniger auf der ganzen Welt den Frauen überlassen war. Für die Geschichtsschreibung, also für die Kriege und die Gründung von Staaten, neue Religionen und technische Erfindungen waren Männer zuständig – während sich die Frauen um Haushalt, Küche und Kinder kümmerten.

Gleichzeitig gab es aber auch immer sehr viele Frauen, die regierten, in Kriegen kämpften, als Philosophinnen, Schriftstellerinnen oder Ärztinnen arbeiteten. Sie alle kommen wenig bis gar nicht vor in unseren Geschichtsbüchern. Diese Frauen zu erwähnen, widersprach lange Zeit der Ordnung der Welt: „Für das Außergewöhnliche waren die Männer zuständig, für den Haushalt die Frauen.“ Lücker und Daenschel erklären, dass es deshalb immer wieder passierte, dass Männer, die die Ereignisse ihrer Zeit dokumentierten, den Beitrag der Frauen einfach leugneten. So sind Briefwechsel in die Geschichtsbücher eingegangen, in denen ein Teil fehlt. Der weibliche – der männliche wurde publiziert.

In der Geschichte der Proteste gegen den Vietnam-Krieg wird oft unterschlagen, dass sie inspiriert waren vom Women’s Strike for Peace – amerikanische Hausfrauen, die die Initiatorinnen waren. Gelehrt werden meist nur die Studierendenproteste, die es ohne die Frauen wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Genauso unterschlagen werden die Frauen, die rund um die Französische Revolution den Vorschlag machten, dass es doch eigentlich heißen müsse: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Schwesterlichkeit“. Der Part der Frauen fällt oft unter den Geschichtsbüchertisch.

Ute Daenschel und Kerstin Lücker: „Weltgeschichte für junge Leserinnen“
Mit Illustrationen von Linda Hüetlin, Verlag Kein & Aber, 528 S., 25 Euro

Kerstin Lücker und Uta Daenschel haben kein Frauenbuch geschrieben. „Wir wollen nicht nur von Frauen und wir können nicht von allen starken, klugen und mutigen Frauen erzählen, auch wenn sie – oft trotz widriger Umstände – großartige Denkerinnen, Künstlerinnen, Herscherinnen waren“, sagen die Autorinnen. Dann wäre eine „Weltgeschichte der Frauen“ dabei herausgekommen. Eine Spezialgeschichte – und damit nicht die Intention der Autorinnen. Sie haben ein Buch geschrieben, in dem Frauen ein ganz selbstverständlicher Teil jener Weltgeschichte sind, die uns alle angeht. Ein Vorbild für alle weiteren Bücher, in denen Geschichte aufgeschrieben werden wird.