Von Frederik Müller

Der New Yorker Teenager Ray (Elle Fanning) benötigt die Unterschrift beider Eltern, um seine Hormontherapie mit Testosteron beginnen zu können. Er lebt mit seiner Mutter (Naomi Watts) und Großmutter (Susan Sarandon) sowie deren Partnerin in einem gemütlich-chaotischen Haushalt. Der abwesende Vater muss aber für die Unterschrift kontaktiert und überzeugt werden.

Elle Fanning als trans Teenager Ray © TOBIS Film

Für Ray besteht das Leben aus Warten: auf den Schulwechsel, auf den gewünschten Körper, auf den Neuanfang. Andere Jugendliche sind für ihn außer Reichweite, er ist umgeben von Erwachsenen. Er ist oft zu Hause, umgeben von jener quirky-klaustrophoben Familie, in der alle Zimmer durchsichtige Türen oder hellhörige Wände besitzen.

Trans zu sein ist ein Zustand und kein Handlungsstrang – Ray wird also vor allem in dieser Verfasstheit gezeigt. Er trägt Strickmütze, filmt seine Transition, macht Sport, rasiert sich und weiß nicht, welches Klo er benutzen soll. Regisseurin Gaby Dellal erhebt jeden Satz zum Symbol, jede Situation zur Metapher und lässt kein Klischee des Transgender-Films aus. Aber Ray will kein Symbol sein, er will ein ganz normales Leben.

Alle Farben des Lebens (US 2016)
Regie: Gaby Dellal. Mit: Naomi Watts, Elle Fanning, Susan Sarandon u. a., 89 Min., DVD-VÖ: 07.04.

Der Fokus auf den medizinischen Aspekt eines trans Lebens ist verständlich, weil Ray Teenager ist. Irritierend ist jedoch, dass trotz des Titels (im Original „About Ray“) der Film in Wirklichkeit von Rays Familie handelt. Alle sind weiß, Mittelschicht, irgendwie progressiv eingestellt und haben keine anderen Sorgen außer ihrem trans Sohn. Und so ist die Geschichte ein Patchworkfamilien-Feelgood-Film in schönen Herbstfarben, in dem Ray nur die Funktion eines Konfliktverdichters innehat.