Interview von Hengameh Yaghoobifarah

Am Samstag ist der Internationale Tag der Rom*nja, damit schließt ihr den Rom*nja Power Month ab. Was waren eure persönlichen Highlights des Themenmonats?
Da wir den Monat organisieren, haben wir aus unseren persönlichen Highlights eine Veranstaltungsreihe gemacht. Jede der Veranstaltungen hatte ihren eigenen Charme und Wert. Da sie sich auch an unterschiedliche Adressat*innen richteten, ist es unmöglich auszuwählen. Ich zum Beispiel höre sehr gerne langjährigen Bürgerrechtler*innen zu, die über die erinnerungspolitischen Kämpfe und über die Kontinuitäten der Diskriminierung nach dem Nationalsozialismus berichten. Das sind sehr wertvolle und wirklich einmalige Zeugnisse der deutschen Geschichte. Gleichzeitig habe ich die Kooperation mit dem Bündnis gegen Rassismus sehr genossen, bei dem wir uns den aktuellen Themen wie der Demonstration am 8. April gewidmet haben. Das gemeinsame Gestalten eines 6 x 3,9 m großen Plakats, welches mit der IniRromnja Rose zur Demo am 8. April aufruft, war sowohl ein verbindendes Gruppenereignis als auch mal eine kreative und schöne Form des Engagements. Der Demoslogan bzw. die Aufforderung: „take back your future“ ist uns sehr wichtig – sozusagen „Zukunft für alle!“.

Jedes Jahr fordern Rom*nja am 8. April ihre Freiheit. © Andrea Linss

Wer organisiert die Reihe und seit wann besteht sie?
Die Reihe wird maßgeblich von dem feministischen Romnja Archiv RomaniPhen (in Trägerschaft des VIA Berlin/Brandenburg e.V.) sowie von der Initiative IniRromja organisiert und ist deutschlandweit einzigartig. Diese Kampagne vom 8. März, dem Internationalen Tag der Frauen*, bis zum 8. April, dem Internationalen Tag der Rom*nja, einen Veranstaltungsmonat zu organisieren, startete in Serbien. Wir haben gerade in diesem Monat eine der Begründer*innen der Kampagne kennengelernt und werden nun stärker in einen Austausch treten. In Berlin kooperieren wir eng mit verschiedenen Vereinen, wie z.B. der RAA Berlin, aber auch mit politischen Initiativen wie z.B. dem Bündnis gegen Rassismus oder mit der ADEFRA – Schwarze Frauen in Deutschland. Selbstverständlich kooperieren wir auch mit anderen Rom*nja Selbstorganisationen wie z.B. dem Bundesromaverband e.V., dem Rroma Informations Centrum e.V., aktuell zur Demo auch mit Amaro Foro und Roma Arts in Action usw. Der Romnja Power Month ist im vergangenen Jahr von uns ins Leben gerufen worden und wir hoffen natürlich, dass sich die Idee in den nächsten Jahren verbreitet.

Was sind derzeit die wichtigsten Forderungen von Rom*nja in Deutschland?
Es gibt verschiedene Forderungen von Rom*nja in Deutschland – wir können für uns, also für unsere Gruppe IniRromnja und unser feministisches Archiv sprechen. Eine der wichtigsten Forderung ist Bleiberecht für Rom*nja, in Anerkennung der massiven jahrhundertealten Verfolgung, aber auch der Tatsche, dass Rom*nja seit Jahrhunderten dazugehören und aktiver, gestaltender Teil der unterschiedlichen Gesellschaften sind.

Uns als Archiv ist es sehr wichtig, mit den immer gleichen stereotypen Bildern aufzuräumen. Hierbei könnten Medien eine wichtige Rolle spielen, indem sie öfter mal von den erwarteten Pfaden abweichen und ein komplexeres und damit realistisches Bild von Rom*nja zeichnen, anstatt Klischees immer wieder neu aufzuwärmen.

Eine wichtige Forderung ist auch, auf politischer und Förderebene die Arbeit von Selbstorganisationen ernsthaft wertzuschätzen und einen gleichberechtigteren Zugang sowohl hinsichtlich von Artikulationsmöglichkeiten als auch von Förderung zuzulassen – und dies auch für die Organisationen, die nicht dem Mainstream zusprechen. Selbstverständlich gibt es noch viel mehr zu fordern, aber lassen wir es bei den berühmten drei Wünschen.

Internationaler Tag der Rom*nja
Demonstration in Berlin um 14 Uhr vor dem Paul-Löbe-Haus (U-Bhf. Bundestag)
Abschlussparty ab 22 Uhr im Südblock

Wie wichtig ist die Archivarbeit gegen die Repression von Rom*nja?
Ich glaube, Archiv klingt etwas verstaubt und diese Arbeit wird oft nicht als originär politische Arbeit verstanden – wir sehen das allerdings ganz anders. Zum einen sind wir kein Kulturarchiv, wir sammeln nicht Musik, Texte, Sprachen der Rom*nja – das ist nicht unser Thema. Wir arbeiten mit Aktivist*innen zusammen und dokumentieren die Rom*nja–Bewegungen beziehungsweise einzelne politische, wissenschaftliche, künstlerische Perspektiven auf die Gesellschaft. Wir sind Teil dieser Bewegungen und wir wertschätzen deren/unsere Geschichte und tragen damit auch zu einer politischen, einer feministischen Selbstreflexion bei.

Die massive, gewaltvolle Diskriminierung von Rom*nja, das Leben in Ghettos, die militanten Neonazi-Angriffe, die Deportationen aus den westlichen Ländern, die Selbstverständlichkeit, mit der sie auch hier in Deutschland Familien in Sammellagern „unterbringen“, medial gegen die Ärmsten der Armen hetzen – all diese manifeste Gewalt ist auch deshalb möglich, weil eine unglaublich verzerrte, eine hochrassistische und einseitige Darstellung von Rom*nja gesellschaftlich fest etabliert ist. Diese Bilder, diese rassistischen Geschichten brauchen Entgegnung nicht nur, um die anderen von dem Wert der Rom*nja zu überzeugen, sondern vor allem auch um uns selbst mit unserer positiven Geschichte, mit dem Schönen und Gutem, dem Gestalterischen und Kämpferischen in uns selbst und miteinander in Verbindung zu bringen!

Ein fulminantes Event: Die Abschlussparty des Rom*nja Power Months, hier mit allen Beitragenden des Jahres 2016. @ RomaniPhen

Was macht ihr am 8. April, dem Internationalen Tag der Rom*nja?
Am Internationalen Tag der Rom*nja tragen wir zunächst mit einer Demonstration um 14 Uhr unseren Protest gegen die restriktive Geflüchtetenpolitik auf die Straße. Um 14 Uhr startet die Demo vor dem Paul-Löbe-Haus (U-Bhf. Bundestag) und endet mit einer Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor. Danach laden wir direkt im Herzen vom Kotti in den Südblock, Admiralstraße 1–2, ab 22 Uhr zu unserer legendären Abschlussparty ein. Wir haben ein ganz feines Bühnenprogramm zusammengestellt mit einer satirisch-politischen Theaterperformance von Melanie Weiß und Sandra Selimovć zum Einstieg in den Abend. Danach füllen wir den Raum mit Musik von der fantastischen Bläserformation Fanfare Kalashnikov und als Höhepunkt hören wir den wundervollen Klängen des Soul, R&B und Musik der Sinti & Roma von der Sängerin TAYO zu. The amazing DJ Ford Kelly (Afrobeats, HipHop, Dancehall) sowie amaro phral DJ MAKY (romane beats) führen durch die Party bis in die Morgenstunden. Kommt alle vorbei und lasst uns gemeinsam feiern!

Isidora Randjelović ist Dipl. Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin und beschäftigt im feministischen Romani Archiv RomaniPhen. Interessiert sich für und schreibt über Verflechtungen im Schnittpunkt von race und gender sowie soziale Bewegungen und Selbstorganisierung und ist in der IniRromnja engagiert.