Von Anna Mayrhauser

Als Stefanie Sargnagel nach einer Lesereise zurück in ihre Stipendiat*innen-Wohnung in Klagenfurt kommt, der kleinen Hauptstadt des – nach Meinung vieler – reaktionärsten österreichi­ schen Bundeslandes Kärnten, findet sie auf ihrer Türschwelle eine rechtsextreme Zeitung. Eine Drohgebärde. Ein paar Tage später sitzt sie mir in einem Kaffeehaus in der Kla­genfurter Innenstadt gegenüber, ein Umfeld, das ihr, 1986 in Wien ge­ boren, eigentlich fremd ist. Sie trägt die rote Kappe, die ihr Marken­ zeichen geworden ist. Sie ist entspannt und spricht darüber, wie wohl sie sich hier fühlt und wie freundlich ihr die Menschen begegnen. Kärnten, ein Bundesland im Süden Österreichs, liegt an der Grenze zu Italien und Slowenien. Bis vor wenigen Jahren stand Kärn­ ten innenpolitisch hauptsächlich als Symbol für das rechte Öster­ reich, Korruptionsskandale und Faschismustraditionen, insgesamt elf Jahre lang stellte der 2008 verstorbene Jörg Haider den Landes­ hauptmann. Seit 2013 hat wieder die SPÖ die Mehrheit in der Landes­ regierung inne. Aber auch die Schriftsteller*innen Ingeborg Bach­ mann und Robert Musil wurden hier geboren, seit vierzig Jahren finden in Klagenfurt jedes Jahr die renommierten Tage der deutsch­ sprachigen Literatur statt. Deren mit einem Aufenthaltsstipendium verbundenen Publikumspreis gewann im letzten Jahr die Facebook­ Autorin und Satirikerin Stefanie Sargnagel, bürgerlich Sprengnagel. Und deshalb lebt die junge, linke Schriftstellerin und Underground-Ikone nun hier – zumindest ein bisschen. Schon lange bevor Sargnagel im Literaturbetrieb zu einem be­ kannten Namen wurde, waren ihre Facebook-Texte und Fanzines in Wien beliebt. Sie führte einen Blog und zeichnete, wie auch heu­te noch, witzige, krakelige Comics mit Microsoft Paint. Eine kleine, blasse Comicfrau mit einer roten Mütze hängt über einem Tresen und sagt Sachen wie: „Jemand muss mir gestern etwas in meine 20 Bier getan haben“. Stefanie Sargnagel und ihr Facebook-Ich eignen sich etwas radi­kal an, das lange Zeit männlichen Autoren und ihren künstlerischen Erzählungen über sich selbst zu gehören schien: Sie inszeniert sich als Trinkerin, als Slackerin, als Flaneurin und lässt in ihren Texten doch immer wieder die Sehnsucht durchschimmern, eigentlich ein ganz normales, vielleicht spießiges Leben führen zu wollen, aber eben zur Grenzgängerin geboren zu sein. Eine Rolle, die jungen Frauen in der Literaturgeschichte nur selten zugestanden wurde. Und wenn, dann nur, wenn sie dabei auch ihre Sexualität themati­sieren, etwas, das Sargnagel sehr selten tut. Das Bukowski-Hafte, das Wilder-Typ-Sein, das so viele junge Künstler anstreben, nahm sie für sich an und parodierte es dadurch zugleich. Beim letzten Bach­ mann­Preis, wo gerade junge Frauen auch gerne mal hart kritisiert werden, vor allem wenn sie aus der Ich­Perspektive schreiben, kam Sargnagel gut weg. Irgendwie wäre es wohl uncool gewesen, sie zu verreißen. Den Erwartungen des Literaturbetriebs scheint sie sich komplett zu entziehen.

Sargnagel wurde oft mit Charlotte Roche und Lena Dunham ver­glichen, auf dem Klappentext ihres neuen Buchs ist es der Schrift­ steller Rainald Goetz.

Sargnagel in ihren Kurztexten beim Leben zuzuschauen, macht unglaublichen Spaß. Ihre Facebook-Texte sind ehrlich, lustig, politisch, ihr Sinn fürs Detail ist unbestechlich, ihr Blick auf die Welt gnadenlos und gleichzeitig liebevoll. Das ist punkig und DIY – zum Bekanntwer­ den hat Sargnagel erst mal keine Anerkennung von großen Verlagen oder Institutionen gebraucht. Die Spielregeln bestimmt sie selbst, Begriffe wie „Fäkalrealismus“ und „It­Girl“, die im Feuilleton gerne bemüht werden, wenn es um sie geht, hat sie selbst geprägt. Sich und befreundete Künstler*innen inszeniert sie selbstironisch als „Genie“. Dass aus dem Slacker*innentum mittlerweile ganz schön viel Arbeit geworden ist, zeigt ihr Output: Drei Bücher hat sie in den letzten Jahren veröffentlicht, darunter ein E-Book. Ihre erste Text­sammlung „Binge L…