Von Missy-Redaktion

Schlechte Arbeitsbedingungen schlagen meistens auf das Gemüt. © Shutterstock/fongleon356

Anna Mayrhauser, Redaktion
„Während des Studiums und davor habe ich in vielen unterschiedlichen (Neben-)Jobs gearbeitet, von ‚Essen auf Räder‘ ausliefern, über Glücksschweine verkaufen, bis hinter der Bar von Kulturvereinen stehen (Mackerkünstlergeschwätz inklusive, wobei besonders beliebt war, meine Zukunftspläne damit zu kommentieren, dass ich weder einen Studienabschluss brauche, noch nach Berlin gehen soll, wenn ich einmal so genial werden will wie sie). Sehr lange habe ich als Ausstellungsdienst in einem Museum für moderne Kunst gearbeitet (14-Stunden-Schicht neben einer Soundinstallation die in Dauerschleife ‚Heartbeats‘ von José Gonzáles spielte).

Aber davon war definitiv nichts das Schlimmste. Die entwürdigten und unangenehmsten Situationen meiner Berufslaufbahn fanden eigentlich alle in Praktika statt. Im Journalismus (zumindest in meiner Altersgruppe) hat es sich eingebürgert, sobald man sich mal halbwegs etabliert hat, nicht mehr darüber zu sprechen, was man alles getan hat, um in diesem Job arbeiten zu können, und zu behaupten, man wäre so zufällig in dem Job gelandet, als wäre man ein*e ganz lässige Hunter-S.-Thompson-Reporter*in. 125 Praktika und das Journalismus-/Medienwissenschafts-/Kommunikationswissenschaftsstudium werden dann gerne verschwiegen. Vielleicht liegt das an den Praktika-Abschlussgesprächen und Mittagessen mit erfahrenen Redakteur*innen, die permanent sagen, dass ein Journalismusstudium nix bringt, man sich einen anderen Job suchen solle, auch wenn man gut wäre und eine*n da draußen sowieso keine*r brauchen würde und vor 30 Jahren alles noch viel besser war.

Ich habe mir auf jeden Fall geschworen, so etwas niemals zu Praktikant*innen zu sagen.“

Emily Klamm, Marketing
„Ich habe schon einige Jobs gemacht, die schlecht bezahlt (6 Euro brutto!) waren und/oder auch einfach ekelig (Kakerlaken in einer Restaurantküche in der Hamburger Innenstadt). Aber ich kann das nie als den ’schlimmsten‘ Job bezeichnen, denn ich habe dann gekündigt. Und für Geld habe ich damals (fast) alles gemacht.
Mein härtester Job und schwerster Weg war meine Berufsausbildung in einer klassischen Werbeagentur Anfang der 2000er. Das kann bisher nichts an Schikane, grenzwertiger Kommunikation und Unprofessionalität toppen. Dass ich das nicht abgebrochen habe, nicht aufgegeben habe, ist ein Wunder!

Es gibt zwei Situationen, die mich in der Lehre sehr geprägt haben und hart gemacht haben. Stichwort Demütigung: Mein Chefin hat mich kurz vor meiner Abschlussprüfung zu sich ins Büro gerufen und mir eine Stunde lang eingeredet, dass ich die IHK-Prüfung eh nicht schaffen werde, weil ich zu dumm sei.  Sie hat mich zum Weinen gebracht! Ich solle die aktuelle Lehre abbrechen, um eine neue Ausbildung bei ihr im Betrieb zu beginnen. Ihr Ziel? Ganz klar: Sie hätte dann eine billige Arbeitskraft für weitere drei Jahre. Dass ich nicht eingeknickt bin, macht mich bis heute stolz.

Und Stichwort Schikane: Meine Chefin kam mit einem Angebot in der Hand zu uns, machte mich zur ‚Sau‘ vor dem Team, wie man so ein schlechtes Angebot schreiben könne. Ob ich überhaupt Ahnung hätte? Und so weiter. Als sich herausstellte, dass eine Kollegin das Angebot geschrieben hatte und nicht ich, meinte die Chefin nur: ‚Ah ok. Es ist eigentlich ganz okay.‘ Die Kollegin wurde dann auch noch für das gut zusammengestellte Angebot gelobt. Ohne Worte.

Eine Berufsausbildung ist das härteste, aber beste, was ich für mein Berufsleben gemacht habe.“

Hengameh Yaghoobifarah, Redaktion
„Meine schlimmsten Jobs?
1. Sorgearbeit für Kinder einer ökospießigen weißen Familie in Freiburg, Gaslighting durch Chefin inklusive
2. Für einen Witzlohn in einem Geschenkartikelladen in der Provinz arbeiten, Fat-Shaming und Körperkommentare jeglicher Art sowie orientalistische Projektionen auf mein Privatleben als Trinkgeld
3. Für 30 Euro Mensakartenguthaben fürs Studierendenwerk modeln und für immer drauf angesprochen werden, ob ich nicht die Person mit dem Strohhut bin, die auf der Homepage erscheint, wenn eine*r nach dem Mensaessensplan schauen möchte, sozialer Selbstmord quasi.“

Sônia Kewan, Praktikantin in der Redaktion
„Bierzapfen in der Fußball-Fankurve: verschüttetes Bier und sexistische Sprüche, eingehüllt in einer Pommes-Wurst-Wolke.“

Sonja Eismann, Redaktion
„Kurz nach Beendigung meines schöngeistigen Studiums waren schon einige Monate slackend ins Land gegangen, als ein Telefongespräch mit meinem Vater mich auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Die elterliche Versorgungslinie, so die mahnenden Worte, sollte nun endgültig gekappt werden. Von jetzt an war ich also finanziell auf mich gestellt. Schluck. Ich tat nun das, was ich während des Studiums dank der Unterstützung meiner Eltern nie hatte machen müssen, und durchforstete alle Studijobbörsen, die ich finden konnte. Recht schnell sah ich ein Angebot, das mir als Fan elektronischer Musik und Möchtegernjournalistin überraschend attraktiv erschien: Content Management und Pressearbeit für ein Technolabel. Dass der Chefin beim Vorstellungsgespräch mein Wohnort als größtes Plus erschien (‚wir hatten schon welche vom anderen Ende der Stadt, aber denen war der Weg hierher irgendwann immer zu weit‘), machte mich ein wenig stutzig. Aber nur kurz, denn hey, ich wollte den Job. Der Anfahrtsweg entpuppte sich dabei als das kleinste Problem – das aber auch schon immens war. Jeden Morgen ächzte ich mit einem uralten, verrosteten Fahrrad einen Berg mit einer Steigung von gefühlt 150 Prozent hinauf, denn die Technofirma hatte ihren Sitz in einem kleinen Anbau einer ultraschicken Designervilla in bevorzugter Hanglage. Das ‚Technoehepaar‘, das das Label leitete, bestand aus einem Architekten und einer PR-Frau, die sich beide in Wirklichkeit überhaupt nicht für Techno interessierten. Der Ehemann hatte in den frühern 1990ern in spektakulären Locations kommerzielle Technoraves veranstaltet und gemerkt, dass damit viel Geld zu verdienen war. Seitdem veröffentlichte er Trashtechnocompilations, die immer weniger Leute interessierten und die seine Ehefrau aggressiv zu vermarkten versuchte. So musste ich, die ich selbst gerade erste Versuche im Musikjournalismus machte, irgendwelche unsympathischen Journalistentypen telefonisch anbetteln, zu unseren Releasepartys zu kommen oder die Compilations zu besprechen, nur um mir ihre herablassenden Kommentare bzw. Abfuhren dazu anzuhören. Das Schlimmste war aber, dass wir (vertragslosen) Mitarbeiter*innen, immer in Sichtweite der offensichtlich sündteuren Designhütte, für einen Hungerlohn ein Maximum an Arbeit leisten sollten (für ein ‚Produkt‘, das ganz offensichtlich von niemandem geliebt wurde, in- und außerhalb des Hauses). Als mich die Chefin eines Tages zwang, die krank im Bett liegende Webdesignerin per Telefon zum Arbeiten aufzufordern, hatte ich genug und kündigte. Denn zwischenzeitlich hatte mich eine in die Politik gewechselte Freundin einer Freundin überzeugt, ihr kurzfristig bei ihrer Wahlkampagne zu helfen – was mir so gut gefiel, dass ich vor Schreck gleich eine Gürtelrose bekam. Aber das ist eine andere Geschichte.“

Valerie-Siba Rousparast, Redaktion
„1. In einem Start-up als Kundenberaterin an der Strippe hängen, unfreiwillig unbezahlte Überstunden machen, denn ‚wir sind eine Familie‘, neidisch die veganen Salatkreationen der anderen beim ‚Lunch‘ und die Morning-Yoga-Stunde im Büro beobachten, weil die mit meinem Gehalt nicht finanzierbar waren.
2. In einem ‚Luxus-Kino‘ uniformiert die abwertenden Kommentare von Leuten anhören müssen, die mit dem SUV ins Kino fahren, um sich zu beweisen, wie viel reicher sie sind als alle anderen.
3. Für einen einsamen Übersetzer Buchhaltung und den Wohnungsputz übernehmen. In der Ahnung, dass er eigentlich nur Gesellschaft möchte und lieber mit mir frühstücken geht.“

Vina Yun, Redaktion
„Von Babysitten bis zur Projektleitung habe ich so ziemlich alle möglichen und unmöglichen Arbeiten gemacht, die man sich vorstellen kann. An ein paar üble Jobs kann ich mich besonders gut erinnern: Als Studentin habe ich einmal Mini-Donuts in einem eher tristen Einkaufszentrum verkauft. Das süße Gebäck wurde in einer Maschine frisch vor den Augen der Käufer*innen herausgebacken. Am Ende eines Arbeitstages, der schon mal zehn Stunden dauerte (exklusive Wegzeiten – und sehr oft liegen ja größere Einkaufszentren am Stadtrand), roch ich wie ein Kübel altes Frittierfett.

Dufte war auch der Job an einer Kinokasse. Ich hatte ständig den penetranten Geruch von extra-buttrigem Popcorn in der Nase, ich kann das Zeug bis heute nicht sehen. Schlimm war, wie unsolidarisch sich die Arbeitskolleginnen – allesamt Frauen – verhielten: Die, die schon länger dabei waren, schnappten sich zu Monatsanfang gleich mal alle Sonntags- und Feiertagsdienste, wegen der Zulagen. Die Dienste, die übrig blieben, durften sich die Neuen untereinander aufteilen. Wir mussten also mehr arbeiten, um auf denselben Lohn zu kommen.

Noch beschissener bezahlt und langweiliger als die erwähnten Jobs war die Arbeit in einer Garderobe in einem großen, modernen Tanz- und Performancetheater. Manchmal machte ich auch den Einlass und riss die Tickets ab – da zeigen die Besucher*innen noch ein kleines bisschen Respekt –, aber als Garderobenfrau bist du so ziemlich das Letzte (neben dem Putzpersonal). Das elitäre Publikum fand ich viel schlimmer als die nächtlichen – und auch nicht immer sehr angenehmen – Partygeher*innen, denen ich begegnet bin, als ich über Jahre hinweg die Kasse für diverse Clubs gemacht habe.

Die Arbeitszeit wurde bis eine halbe Stunde nach Veranstaltungsende gerechnet, blieb ein Mantel übrig, mussten wir den*die Besitzer*in selbst suchen. Blöderweise befindet sich das Theater in einem großen Veranstaltungskomplex, mit Bars und Cafés, da konnte es schon dauern, bis man die Person ausfindig gemacht hatte (die es natürlich ganz selbstverständlich fand, dass man ihr das Scheißding nachträgt). Während drinnen die Performance lief, durften wir draußen weder lesen, essen oder sonst etwas tun, das die Wartezeit angenehmer gemacht hätte. Bad memories! Bis heute gebe ich Leuten, die an der Garderobe arbeiten, gerne und großzügig Trinkgeld.“