Interview von Hengameh Yaghoobifarah

Ihr organisiert eine HipHop-Party, bei der nur cis Frauen und trans Personen auflegen. Wie kam es dazu?
hoe__mies: Die Idee zur Party entstand ursprünglich aus einem Disput zwischen Gizem und dem Veranstalter einer R’n’B-Party, in deren Fokus vermeintlich Frauen* standen; sowohl hinsichtlich der Musikauswahl als auch der kompletten optischen Aufmachung des Events mit Lil’ Kim auf dem Cover und so. Als klar wurde, dass Frauen* weder am Line-up noch an der Organisation einer Party beteiligt sind, die sich damit brüstete, Weiblichkeit zu zelebrieren, entbrannte eine Diskussion zwischen einem der Veranstalter und Gizem. Diese führte leider ins Nichts, da er keine Notwendigkeit darin sah, Frauen* in die Planung und Umsetzung einzubinden, und ohnehin sei ihm Berlin in vielerlei Hinsicht zu politisch. Frauen* funktionieren scheinbar als Aufhänger für eine Party, die ihm die Taschen füllt, die in Wirklichkeit aber nicht für uns da ist. Am Ende unseres Gesprächs sagte er, wem die Party, so wie sie ist, nicht gefalle, könne es ja gerne besser machen – gesagt, getan. Gizem hat dann noch ihre Schulfreundin Lucia mit ins Boot geholt, die in der queeren Partyszene zu Hause ist. Wir wollten das Ganze inklusiv denken und gestalten. Das ist unser Anspruch in erster Linie, dicht gefolgt von der Liebe zu HipHop.

Die Künstlerin Mayowa Osinubi zwischen den Organisatorinnen Gizem (rechts) und Lucia beim Bewerben der Party. © Tatjana Glowinski

Es gab ja schon immer tolle weibliche, nicht-binäre und queere HipHop-Acts, trotzdem wird die Szene als Männerdomäne wahrgenommen. Warum, glaubt ihr, ist es so?
Puh, so leicht ist das nicht zu beantworten (immerhin schreibt Gizem gerade eine ganze MA zu diesem Thema mit Fokus auf die deutsche HipHop-Szene). Wie in nahezu allen sozialen Kontexten ist halt auch HipHop ein Feld, in dem das Patriarchat wirkmächtig ist und in dem cismännliche Akteure gewisse Privilegien genießen. Das spürst du als Rapper*in, als DJ, als Produzent*in, you name it. Oftmals wird einer*m das Gefühl gegeben, weibliche, nicht-binäre oder queere Leute unterliegen anderen Standards, können sich nicht mit den cis Männern messen. Schau dir z.B. mal die Kommentare unter Videos deutscher Rapper*innen an oder aber Interviews von Expert*innen wie Visa Vie. Wenn sie nicht aufs Heftigste objektifiziert werden, wird ihnen ihr Talent abgesprochen oder es wird sich halt drüber aufgeregt, wenn sie das gleiche Vokabular wie ihre cismännlichen Kollegen verwenden. Solchen Kommentaren müssen sich cismännliche Acts vergleichsweise selten aussetzen. Bei ihnen wird schon eher auf die Performance geschaut. Sie werden als mehrdimensionale Charaktere mit unterschiedlichen Facetten wahrgenommen, während 08/15-Konsument*innen bei weiblichen, nicht-binären oder queeren Acts selten auch nur über die Kategorie Geschlecht hinwegkommen.

Hinzu kommen sexistische Frauenbilder sowie frauen-, homo- und transfeindliche Sprache, die die in der Szene vorherrschenden Machtverhältnisse immer wieder reproduzieren. Aber da ist unserer Ansicht nach ein Wandel im Gange. Heutzutage kann (Social Media sei Dank) erstens nicht mehr alles konsequenzenlos gesagt werden. Zweitens etablieren sich (international) immer mehr weibliche* sowie LGBTQI Akteur*innen in der Szene, dekonstruieren Stereotype, queeren Diskurse und machen einfach killa Musik. Sie sind Türöffner*innen, schaffen Plattformen für Narrative, die sich um ihre Erfahrungen drehen, und empowern damit die nächste Generation. Wir sollten uns mehr darum bemühen, die Reichweite gerade dieser Künstler*innen zu erhöhen, wenn wir Sexismus im HipHop in den Arsch treten wollen. Hoe__mies bietet eine Möglichkeit dafür.

Warum sind Partyräume für Frauen* und nicht-binäre Personen so wichtig?
Gerade weil wir in der HipHop-Szene so marginalisiert sind, ist es wichtig, dass wir uns Räume schaffen, die von uns für uns gemacht sind und in denen wir uns wohlfühlen. Die wenigsten HipHop-Partys verschwenden auch nur einen Gedanken daran, Frauen* in ihr Line-up einzubinden, wobei cis Frauen schon noch häufiger eingeladen werden als trans Personen. Was wir in letzter Zeit beobachten, sind Partys, bei denen Frauen* auf ein Motto reduziert werden, à la „Girls Edition“. Das reicht absolut nicht, denn es muss langfristig Orte geben, an denen wir im Mittelpunkt stehen und Gelegenheiten haben, unsere Talente zur Schau zu stellen. Es ist uns wichtig, dass wir positive Selbstbilder, Menschen, mit denen wir uns identifizieren können, in einer Szene repräsentiert sehen, die cismännlich dominiert ist und frauen-, trans- und homofeindliche Sprache reproduziert. Darum soll hoe__mies ein Empowerment-Space sein, der unsere Präsenz im HipHop normalisiert und zelebriert.

Was verbirgt sich alles hinter hoe__mies?
Auf Facebook haben wir hoe__mies als Community gelabelt. Wir wollen ein Empowerment-Space für diejenigen sein, die in der HipHop-Szene wenig Repräsentation finden. Das bedeutet für uns nicht nur, coole Partys zu schmeißen, sondern auch eine Plattform für all diese Talente zu sein, die in cismännlich dominierten Spaces untergehen. Bei uns sollen DJs spielen, die nicht immer und überall die Chance zum Skills-Testen und sich entwickeln bekommen. Wir wollen aber auch andere Kunstformen würdigen, z.B. Visual Arts, Tanz oder Kunsthandwerke wie Schmuckherstellung. Zu jeder hoe__mies Edition interviewen wir eine*n Künstler*in und stellen ihn*sie unserer Followerschaft vor. Dieses Mal war es Multitalent Mayowa Osinubi und das Interview mit ihr findet ihr hier.

Wir sind eigentlich offen für vieles, z.B. Designer*innen, die gerne im Rahmen unserer Party was von sich zum Verkauf anbieten würden, Live-Musik-Performances, Kunstausstellung und Party im Anschluss etc. Hoffentlich bekommt ihr einen Eindruck davon, wie der Support von unserer Seite so aussehen kann. Anfragen von Künstler*innen bitte an hoemiesberlin(at)gmail(dot)com und checkt unbedingt auch unsere Facebook– und Instagram-Seiten für Updates zu unseren Events und Artists.

Gizem und Lucia verbreiten das Wort auf der Straße. © Tatjana Glowinski

Was geht auf der ersten Party?
Die erste hoe__mies Edition findet am 05. Mai im Beate Uwe statt. Das ist ein sehr schöner kleiner Club am U-Bahnhof Jannowitzbrücke, der von 2 Personen of Color betrieben wird. Musikalisch decken wir ein breites Spektrum ab und bieten alles von Old School HipHop und R’n’B über Trap, Grime, Afrobeats, Dancehall u.v.m. Unsere Stars des Abends an den Decks sind DJ Pam Bam, Ford Kelly, Kakao Katze, Jaxx On und Meg10. Wir haben außerdem die großartige Mayowa Osinubi als Fotografin und Visual Artist am Start, die den Abend für uns festhalten wird. Zusätzlich haben wir noch ein paar nice Visuals in petto, die hoffentlich für gute Vibes sorgen werden.

Wenn sich die Reihe etabliert und ihr unabhängig von Budget buchen könntet, welche Acts würdet ihr gerne einladen?
Da gibt’s so viele! Gizem geht momentan auf Junglebae, CupcakKe, Stefflon Don und 070Shake ab. Für Lucia wären es Coco Mamba, NIPAH, Junglepussy, SZA, Sevdaliza, Kitty Cash und aus dem deutschen Raum Ace Tee und Eunique!

Und warum heißt ihr eigentlich hoe__mies?
Auf den Namen kamen wir gemeinsam mit einer befreundeten Person beim Kaffeekränzchen. Wir diskutierten über die Aneignung und Umdeutung von Begriffen, deren alleiniger Zweck darin besteht, unsere Sexualität zu kontrollieren und jegliche von der auferlegten Norm abweichende sexuelle Aktivität zu skandalisieren. Das Wortspiel aus „homie“ und „hoe“ soll Slut-Shaming und Hurenfeindlichkeit – und Shamer*innen – den Wind aus den Segeln nehmen, indem wir klarmachen, dass uns spaltende Binaritäten wie Heilige vs. Hoes hier strikt abgelehnt werden. Bei uns kann jede*r sein, wer oder wie er*sie ist. No judgement. Tatsächlich haben sich schon einige durch den Namen provoziert gefühlt (hauptsächlich cis Männer), weil sie nicht nachvollziehen können, warum wir uns selbst so bezeichnen lolz. Aber Provokation und Kontroversen finden wir wichtig und notwendig.