Pflicht oder Liebe
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Von Gabriele Summen
Ridley Scotts 1979 erschienener Sci-Fi-Horrorfilm „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ stellte einen bemerkenswerten Wendepunkt der Filmgeschichte dar: Der Regisseur hatte den Nerv, die Hauptrolle mit einer Frau zu besetzen. So bekam das Mainstreamkino seine erste Actionheldin im All und Sigourney Weaver wurde über Nacht zum Idol. Zudem griff der Film die Urängste vor (weiblicher) Sexualität, Vergewaltigung, Geburt und Müttern auf. Zu guter Letzt besiegte auch noch die starke Frau ganz allein das phallische Monster.
Im Vergleich zum Klassiker hat Scotts jüngstes Sci-Fi-Epos „Alien: Covenant“ so seine Schwächen: Die Dialoge sind punktuell unterirdisch und einzelne Crewmitglieder verhalten sich zuweilen recht dämlich. Zudem könnte frau sich über Scotts Entscheidung streiten, die Erwartung vieler Fans nach blutspritzenden, virtuos inszenierten Schockmomenten – jede Menge „Facehugger“ und „Chestburster“ inklusive – etwas zu offensichtlich zu bedienen.
Dennoch weist Scotts „Baby“ auch außergewöhnliche Stärken auf, die den Kinobesuch allemal lohnenswert machen. Zum einen lässt der Film wieder eine toughe Heldin den entscheidenden Kampf mit dem Alien austragen – und bereitet so quasi den Auftritt Ripleys vor. „Covenant“ spielt nämlich vor dem ersten „Alien“-Teil, etwa zehn Jahre nach dem ambitioniert gescheiterten Prequel „Prometheus“. Der warf immerhin beunruhigende Fragen nach dem Ursprung des menschlichen Lebens auf, die nun weiter verfolgt werden. So will im Gänsehaut erzeugenden Prolog der unsterbliche Android David (unfassbar nuanciert gespielt von Michael Fassbender) von seinem menschlichen Schöpfer wissen, wer ihn denn eigentlich erschaffen habe. Jahre später ist sein verbessertes, weniger aufmüpfiges Nachfolgemodell Walter (ebenfalls Fassbender) mit dem Raumschiff „Covenant“ und 2000 schlafenden Siedler*innen unterwegs zu einer potenziellen Kolonie.
Die Crew, die Jahre zu früh von Walter geweckt werden muss, da ein Sonnensegel beschädigt worden ist, besteht dieses Mal hauptsächlich aus – dramatische Fallhöhen ermöglichenden – Pärchen (immerhin befindet sich auch ein homosexuelles darunter). Die erste Offizierin Daniels (Katherine Waterston) verliert ihren Lebensgefährten gleich beim Aufwachen, da er in seiner Hyperschlafkabine verbrennt. Dramaturgisch wird damit für die Kapitänswitwe der Weg frei, Teil der aufwühlenden, philosophischen Metaebene des Films zu werden, denn Daniels zeigt tiefe, menschliche Regungen gegenüber dem Androiden Walter, womit ein prickelnder Hauch von „Blade Runner“ in den Film strömt.
Zufällig macht die verbliebene Crew einen erdähnlichen Planeten aus und der neue, schwache Kapitän wider Willen beschließt, ihn näher zu erkunden. Schon bald werden die ersten Opfer von Aliens und Android David erscheint überraschend auf der Bildfläche – eine teuflische Schöpfung, die den Zuschauer*innen eine Höllenangst einjagen wird.
Alien: Covenant US/GB 2017. Regie: Ridley Scott. Mit Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup u.a., 122 Min., bereits im Kino
Walter fragt den erkennbar in Daniels verliebten David einmal, warum er sie gerettet habe. „Das war meine Pflicht“, antwortet dieser und jede*r spürt, dass dies gelogen ist. Ebenso wird fühlbar, dass dem 79-jährigen Ridley Scott der Alien-Mythos und die spannenden philosophischen Fragen, die er aufwirft, nach wie vor am Herzen liegen – und dies macht die Verfilmungen, bei denen er seine Hand im Spiel hat, unbedingt sehenswert.