Von Hengameh Yaghoobifarah

Es ist nicht leicht, Yağmur Öztürk (gespielt von Pegah Ferydoni) zu sein. Als orthodoxe, deutsch-türkische Muslima zieht sie in ihrer neuen Patchworkfamilie die größte Arschkarte: Weder ihr Vater Metin noch ihr Bruder Cem, der Möchtegern-Gangster, sind besonders religiös. Ihre Stiefmutter Doris Schneider ist dafür eine esoterische Schamanin, ihre Stiefschwester Lena Atheistin, die auf sie das Bild der unterdrückten Hijabi projiziert, und ihr Stiefopa ein Nazi. In ihrer Korangruppe steht sie wegen ihrer Familie unter ständigem Haram-Verdacht, zu Hause gilt sie als Spaßbremse. Nicht mal ihr deutsch griechischer Verlobter spricht ihren Vornamen korrekt aus.

Yağmur Öztürk © Tamar Moshkovitz

Als wäre das nicht schon schwer genug auszuhalten, wurde ihre Figur auch noch für eine extrem stereotype Serie geschrieben, deren Pointen auf dem „Kulturschock“ beim Zusammenführen der Familien Schneider und Öztürk basieren. „Lustige“ Integrationsimperative dürfen da natürlich nicht fehlen. Durch ihren Glauben fühlt sich Yağmur ihrer verstorbenen Mutter näher und grenzt sich gleichzeitig von ihrem Vater ab. Für sie ist Metin aufgrund seiner neuen Liebesbeziehung ein Verräter. Doch letztlich zieht sie ihre Anti-Schneider- und Anti-Alman-Haltung nicht durch und zeigt sich immer öfter als gute Freundin ihrer einst verachteten Stiefschwester.

„Türkisch für Anfänger“ lief 2005 bis 2007 als ARD-Produktion im Fernsehen. Nun gibt es alle drei Staffeln auf Netflix.

In erster Linie ist Yağmur eine Streberin in Sachen Frömmigkeit. Das führt zu witzigen Szenen, etwa die, in der Lena und sie in eine Disco gehen und Doris ihnen CS-Gas zur Selbstverteidigung mitgibt. „Was ist das? Ecstasy?“, fragt sie mit kritischem Blick auf die kleine Sprühflasche und zeigt, welches Bild sie von ihrer Stiefmutter hat. Entgegen ihrem ursprünglichen Plan, Hausfrau und Mutter zu werden, macht Yağmur schließlich ihr Abitur und arbeitet als Dolmetscherin, etwa für den Bundestag, und ist so die strebsame „gute Ausländerin“, die das deutsche Fernsehpublikum so gerne sehen will.

Dieser Artikel erschien zuerst in Missy 03/2017.