Von Daniela Chmelik

Doris Anselms Debüt ist ein Erzählband, in dem die zurückschlagende Liebe zwar nicht das Leitmotiv, aber eine von vielen kraftvollen Formulierungen ist – neben einem Blick, der sich auf einem Tisch abstützt; einem Herz, das mit American Spirit ausgeräuchert werden soll; einem Satz wie eine Ladung Schrot, damit nicht genauer gezielt werden muss. Die sprachliche Form spielt eine zentrale Rolle. Jedes Detail, jeder Satz ist fein justiert.

© Heike Bogenberger/autorenfotos.com

Anselms Beschreibungen sind bunt und lebendig, als würde sie mit Worten malen. Die Geschichten sind nichtsdestoweniger exakt erzählt, vielschichtig und stimmig verwoben: Es geht um einen sterbenden Vater, Liköre und Kalenderblätter, Ringfingerbrüche als Treueschwur, fünf Snickers und eine peinliche Tüte Pombären, Autorennbahn und Plastikpony, Vergeblichkeiten, unschöne Wahrheiten und Kränkungen, die sich brutal entladen. Erzählt wird von Familien, Kindern, alten Frauen und Freund*innen von früher im Heute.

Doris Anselm „und in dem Moment holt meine Liebe zum Gegenschlag aus“
Luchterhand Literaturverlag, 192 S., 18 Euro

Symptomatisch erscheint das beklommene Gefühl der Businessfrau, eine Laufmasche bewege sich sichtbar ihre Wade herunter; dabei ist die Laufmasche lange nur die Vorstellung einer solchen. Derlei scheinbare Nebensächlichkeiten nutzt die Autorin zum Überlagern von unter der Eisbergspitze Spürbarem. Prädikat: gefühlvoll, pathosfrei, auf jeden Fall literarisch wertvoll.