Von Tove Tovesson

Wenige Themen bringen mein Blut derart zum Kochen wie häusliche Gewalt und der mediale und gesellschaftliche Umgang damit. Immer wieder erstaunlich ist für mich die anscheinend große Verbreitung von Wissen um „Gewalt im sozialen Nahbereich“, „intimate partner violence“ oder „gendered violence“, wie sie auch genannt wird, das sich fiktionalisiert in Büchern, Filmen, Serien niederschlägt. Manchmal als schlechter Witz oder Andeutung, oft als quasi normale Facette von Beziehungen, zu oft als Schlüsselerlebnis in der Geschichte einer meist weiblichen Figur, dann gerne auch in Melange mit sexualisierter Gewalt, so wird von häuslicher Gewalt erzählt.

The Shining, revisited. © Tine Fetz

In diesen Erzählungen wird Gewalttätigkeit häufig mit Sucht- oder psychischer Krankheit zusammengelegt, der Alkoholiker tickt aus, der Irgendwie-Irre schlägt alles kurz und klein. Tatsächlich ist es möglich, friedlich besoffen zu sein, und die Stigmatisierung von Suchtkranken stellt ein großes Problem bei der Überwindung von Abhängigkeit dar. Auch psychisch Kranke sind eher Opfer von Gewalt als selbst Täter*innen. Als Sicherungsnetz unter diesen Scheinerklärungen bleibt das schulterzuckende „Boys will be boys“, denn es sind meistens Männer und Männer sind eben so, die ultimative Bankrotterklärung in Sachen Verantwortungsübernahme, wiederum abgesichert mit einem entschiedenen „not ALL men“.

Gewalttätige Männer, das sind einfach ganz besondere Arschlöcher, oder nicht? Wegen dieser Vorstellung ist es so leicht, Donald (unfassbares Arschloch) als gewalttätig gegenüber Melania Trump zu vermuten und sich zu freuen, wenn sie ihn öffentlich ablehnt, seine Patschehände wegwatscht oder ihm höchstens ein aufgesetztes Lächeln schenkt. Vielleicht hat die Beliebtheit dieser Lesart auch mit der unerschütterlichen Unschuldsvermutung gegenüber weißen Frauen in Sachen Rassismus zu tun, Melania Trump muss einfach irgendwie Opfer sein, passt auch besser mit der Vorstellung zusammen, dass sie wegen des Geldes mit Donald verheiratet ist. Die Alternative dazu ist die Bezeichnung als „Nazi-Schl*mpe“.

Es ist ein Kuriosum, dass hier einer Frau Gewalterfahrung angedichtet wird, die sie mit keinem Wort selbst behauptet, während etliche Frauen, die genau das genau diesem Mann vorwerfen, keinen Fuß in die Tür kriegen. Noch schwieriger wird es, wenn der Beklagte eigentlich ein ganz Netter zu sein scheint. Die juristische Ahndung von Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Trauerspiel, zumal auch Polizei und Richter*innen nicht vor Schuldumkehr und verinnerlichten Bildern von guten Opfern und echten Gewalttätern gefeit sind. So befand ein Richter in Großbritannien, dass einem Mann, der seine Exfrau, Fakhara Hakim, mit Säure und einem Kricketschläger angegriffen hatte, das Gefängnis doch lieber erspart bleiben sollte, da dieser (fälschlich) angab, bald eine professionelle Kricketkarriere zu beginnen. Es klingt wie ein schlechter Witz, aber etliche Urteile dieser Art bezeugen, dass die Befindlichkeit und Zukunft eines Mannes wichtiger als das Leben einer Frau sind, sofern der Angriff nicht rassistisch ausgeschlachtet werden kann. (Ungefähr das einzige Szenario, in dem Gewaltvorwürfe einer Frau gegen einen Mann für diesen garantiert negative Folgen haben, scheint zu sein, wenn es sich um eine weiße Frau und einen Mann oder Jungen of Color handelt. Ein schreckliches Beispiel hierfür ist der Lynchmord am unschuldigen 14-jährigen Emmett Till.)

Besonders perfide manifestiert sich dieses Verständnis von Frauen als Menschen zweiter Klasse in der „trans panic defense“ (abgeleitet von „gay panic defense“), also der Berufung auf einen schuldmindernden Panikzustand des (meist männlich heterosexuellen) Angreifers, in dem er eine trans Frau angegriffen oder gar getötet hat. Dieser Verteidigung zuzustimmen bedeutet, Transmisogynie zu legitimieren, trans Frauen ihre Authentizität abzusprechen und als Menschen zu entwerten. Es bedeutet, eine inhärent gewaltvolle Konstruktion männlicher Ehre für relevanter zu halten als die Unversehrtheit von trans Frauen.

Eine solche Verteidigung wurde im Fall von Mercedes Williams zunächst versucht, die 2015 mit 17 Jahren von ihrem Exfreund in Mississippi brutal ermordet wurde. Es griff schließlich erstmals der „Hate Crimes Prevention Act“ in Bezug auf ein Verbrechen, das aus Transfrauenfeindlichkeit motiviert war. Mercedes Williams’ Mörder begründete seine Tat später damit, dass er Angriffe gegen sich befürchtete, wäre in seinem Gang affiliierten Umfeld bekannt geworden, dass Williams trans war. In einem Interview gab er an, er wünschte, er könne alles rückgängig machen, er würde sogar ihren Platz einnehmen, weil er dann nicht all das durchmachen müsste, was er nun durchmachen muss. Er. Die Reue, das eigene Leben verbockt zu haben.

Sich aus häuslicher Gewalt zu befreien heißt ganz praktisch für viele, von einem auf den anderen Tag abtauchen zu müssen, das vielleicht noch mit Kindern. Als Nicht-EU-Bürgerin in einem Frauenhaus unterkommen zu wollen, ist ein bürokratisches Drama für sich, als trans Frau oft vermutlich nicht mal den Versuch wert. Und doch sind es die Opfer, die ständig hören, wie aberwitzig es doch sei, bei einem gewalttätigen Partner zu bleiben.

Es gibt anscheinend keinen Punkt, an dem Opfer und Überlebende häuslicher Gewalt sicher mit Solidarität rechnen können. Bresha Meadows, ein 14-jähriges Schwarzes Mädchen aus Ohio, ist nach zehnmonatiger Jugendhaft für die fahrlässige Tötung ihres Vaters verurteilt worden, nachdem ihre Familie über zwanzig Jahre unter seiner Gewalttätigkeit gelitten haben soll. Nachdem ihr ursprünglich eine zwanzigjährige Haftstrafe hätte drohen können, verbringt sie nun weitere sechzig Tage in Haft, danach wird sie für sechs Monate in richterlich angeordnete stationäre psychiatrische Behandlung überstellt, die ihre Familie selbst finanzieren muss. Dieser Deal wurde hart erkämpft und ist doch eine traurige Absage an alle in ähnlichen Situationen.

Mädchen und Frauen, die durch die Hand eines Partners ums Leben kommen, werden postum ein letztes Mal grausam auf ihren vermeintlichen Platz verwiesen, wenn Nachrichtenseiten Artikel über ihren gewaltsamen Tod mit Fotos von Opfer und Täter in glücklicher Eintracht illustrieren, dank Social Media eine leichte Aufgabe. Wessen Perspektive setzt das voraus?