Interview: Mareice Kaiser

Wer darf/soll/muss eigentlich schwanger werden? Zu welchem Zeitpunkt und mit wem? Die Tänzerin und Performerin Diana Thielen und die Regisseurin und Performerin Alisa Tretau beschäftigen sich mit diesen Fragen in ihrer Performance „LABOUR_LAB„, die in Kooperation mit 15 anderen Künstler*innen im Rahmen des Kunstfestivals 48 Stunden Neukölln gezeigt wird. Entstanden ist das Projekt aus dem Bedürfnis nach einer queerfeministischen Auseinandersetzung mit allgegenwärtigen Körper- und Rollenbildern. Ort der Performance ist eine Kita in Neukölln. Unsere Autorin Mareice Kaiser hat mit Alisa Tretau gesprochen.

Wer darf schwanger werden? © The Propcorner

Alisa, der Untertitel eurer Performance „LABOUR_LAB“ lautet „The other side of becoming pregnant“. Welche andere Seite ist das?
Alisa Tretau:
Die eine Seite ist die heteronormative, natürliche Erzählung: Ein Heteropaar wird am besten zufällig auf natürlichem Weg schwanger. All die anderen Geschichten, die auch zum Prozess des Schwangerwerdens dazugehören, also Entscheidungen, die vorher getroffen werden müssen oder können, Geschichten von unerfüllten Kinderwünschen, von Fehlgeburten, queere oder trans Geschichten werden nicht erzählt. Sie müssen im privaten Raum verhandelt werden. Das möchten wir ändern – auch, weil wir aus persönlichen Gründen wissen, wie wichtig das ist.

Eure persönlichen Erfahrungen sind der Ursprung der Projektidee?
Ja, genau. Ich bin in einer heterosexuellen Beziehung mit unerfülltem Kinderwunsch und einer Fehlgeburt, Diana lebt in einer queeren Beziehung mit einer Frau. Sie haben geheiratet, um sich konform des Adoptionsrechts zu verhalten. Kennengelernt haben wir uns im Rahmen der Performance „Essen und Sex: SWEET PEEP SALON“. Die Projektidee zum „LABOUR_LAB“ entstand danach, als wir uns über unsere zu dem Zeitpunkt frischen Erfahrungen von Fehlgeburt und Heirat ausgetauscht haben. In unserer Performance „FOllikeljump“ geht es genau darum.

Analog zur wenig romantischen Praxis rund um den unerfüllten Kinderwunsch klingt „LABOUR_LAB“ sehr medizinisch. Was bedeutet der Titel?
Er steht auch für eine Anerkennung von Reproduktionstechniken, raus aus der moralischen Schmuddelecke. Wir verstehen das Projekt als Labor – es findet in einer Kita statt. Dort nutzen wir die unterschiedlichen Räume für uns. Es wird eine Bücherei geben mit Hörspielen und Texten, die sich dem Thema wissenschaftlich nähern. Wir werden mit Eiern und marginalisierten Perspektiven auf Schwangerschaft experimentieren und Fake Lectures anbieten. Wir verwandeln die Kita dabei nicht in ein steriles Labor, es ist eher ein spielerischer Ansatz. Und gleichzeitig ist die Kita ja auch ein Ort, zu dem man als Nicht-Elternteil oder Nicht-Erzieher*in sonst keinen Zugang hat.

„Schwere Kost als Pop verpackt“, so beschreibst du deine Arbeit. Wie genau setzt ihr das im „LABOUR_LAB“ um?
Wir probieren, eine Leichtigkeit in das Thema zu bringen. In „FOllikeljump“ spielen wir mit Kinderhüpfbällen und hören Spice Girls. Zusammen mit dem Publikum versuchen wir, bestimmte Mechanismen spielerisch aufzubrechen. An den zwei Tagen arbeiten wir mit den Besucher*innen auch partizipativ, wir wollen ins Gespräch kommen und andere Perspektiven hören.

Die Performance findet am 24.06 und 25.06. von 15.00 bis 19.00 Uhr im Rahmen des Festivals 48 Stunden Neukölln im Kinderladen Urmel e.V., Kanner Str. 5., 12055 Berlin, statt.

In eurer Grundidee steckt Kritik im gesellschaftlichen Umgang mit dem Schwangerwerden und dem Schwangersein. Welchen Umgang wünscht ihr euch?
Mehr Offenheit und damit einhergehend Solidarität. Die vielen Geschichten, die hinter Schwangerschaften oder auch dem Nicht-Schwangerwerden – auch bewusst entschiedene Kinderlosigkeit – stecken, sollen auch erzählt werden dürfen. All diese Varianten sollen sein dürfen und ihren Platz im öffentlichen Diskurs finden dürfen. Auch im Netz, daher möchten wir unser Projekt auch digital übertragen. Wir planen einen Blog, auf dem wir sowohl Bilder als auch Installationen des „LABOUR_LAB“ zeigen – und auch das Feedback der Besucher*innen. Damit wir so viele Perspektiven wie möglich berücksichtigen können.