Von Christian Schumacher

Vor zwei Wochen ging mein Facebook-Posting viral: Ich kritisierte die sogenannten „Campustüten“. Warum die sexistisch sind und was ich fordere, erkläre ich hier.

Viele Student*innen kennen das Prozedere am Anfang des Semesters: Werbeagenturen schicken Promoter*innen auf den Campus, um Werbegeschenke zu verteilen. Von Schokocremes bis hin zu Gutscheincoupons ist dort viel dabei, was Student*innen in ihrem Alltag brauchen könnten – oder auch nicht. Daher wird die Aktion positiv aufgenommen und Tausende Studierende sahnen gerne ab. Auch ich holte mir dieses Semester eine der Tüten und merkte dabei, dass die Verteiler*innen angewiesen waren, die Werbegeschenke genderspezifisch zu verteilen. Interessiert, was denn eine Werbetüte genderspezifisch attraktiv machen soll, besorgte ich mir über Umwege zu meiner „Männertüte“ noch eine „Frauentüte“, um diese zu vergleichen. Der Inhalt verbarg eine schockierende Portion Alltagssexismus.

Links die „Frauentüte“, rechts die „Männertüte“. © Christian Schumacher

In den (von außen gleich aussehenden) Tüten befanden sich die gleichen Gutscheine (für z.B. Supermärkte), jeweils eine Packung Zigarettenpapier, Schokocreme und eine Probierpackung Müsli. Zusätzlich gab es Zeitschriften und weitere Werbung, die für das jeweilige Gender gedacht waren. Für die Männer lag ein Karrieremagazin der „FAZ“ dabei. Groß zu lesen sind Worte wie „Karriere“, „kluge Köpfe“ und „Netzwerken“.

In den Frauentüten waren hingegen eine Probierpackung für Binden und Antipickelcreme. Auf der Verpackung sieht man eine normschöne Frau.
Anstatt eines Karrieremagazins der „FAZ“ lagen diesen Tüten außerdem Ausgaben der „Maxi“ bei, einem Modemagazin in rosa Banderole. Vorne drauf: Schlagwörter wie „LUST“, „Wie viel ROMANTIK braucht meine LIEBE“, „Kopfkino“, „Die coolsten Trends 2017“.

Männer sollen Karriere machen, Frauen sollen sich hübsch machen. Selbst wenn Frauen studieren dürfen, sei ihre eigentliche Aufgabe, gut auszusehen, sich um Modetrends zu kümmern und für sexuelle Befriedigung des Mannes zu sorgen.

Beunruhigend dabei fand ich, wie wenig Menschen darin ein Problem sahen. Die allermeisten freuten sich über die Tüte und dachten gar nicht darüber nach. Als ich Kommiliton*innen darauf hinwies, bekam ich Antworten wie: „Es ist doch nur Werbung“, „Werbung ist nunmal geschlechterspezifisch und sexistisch“, „Freu dich doch über deine Tüte“ und „Wenn dich das stört, nimm dir doch eine andere Tüte“. Sie störten sich also kaum an den sexistischen Tüten. Andere wiederum nervte es zwar, sie interessierten sich aber nicht genug dafür. Es bedürfe zu großem Aufwand, sich zum Beispiel beim Sexismus-Referat zu beschweren.

Auch im Internet kamen vereinzelt Kommentare, die in diese Richtung gingen: Eine Hochschulgruppe, die der AfD und der Identitären Bewegung nahesteht, argumentierte: „Wer an einer Universität ist, den Blick schweifen lässt und wirklich glaubt, dass sein Kommilitone anderen Geschlechts deswegen in irgendeiner Form schlechter gestellt ist als er selbst, der scheint schlicht nur zu sehen, was er sehen möchte. Das Schöne an unserer Generation ist, dass diese eben nicht mehr sexistisch ist und Gleichberechtigung für selbstverständlich erachtet.“ Das Statement erschien während der Hochschulwahlen und sollte Stimmen einbringen. Hier zeigt sich, wie aus der rechten Ecke immer wieder antifeministische Positionen vertreten werden und selbst offensichtlicher Sexismus geleugnet wird.

In einer Zeit, in der es Frauenförderungen vor, während und nach dem Studium gibt, müssten wir nicht mehr über Sexismus reden – so scheint der allgemeine Tenor zu sein. 
Ich sage: Doch müssen wir! Feminismus ist und bleibt unerlässlich. Dazu gehört, dass Sexismus erkannt wird und dagegen vorgegangen wird, auch in solchen vermeintlich harmlosen Fällen.

Es mag sein, dass Werbung oft sexistisch ist. Es mag sein, dass Werbung oft mit Klischees spielt. Das legitimiert jedoch keine dieser Werbungen. Werbung reproduziert Abbilder der Gesellschaft und zeigt uns in dem Fall, wie omnipräsent Sexismus ist. Die TU Darmstadt distanzierte sich von der Tütenaktion und wies darauf hin, dass bei der Verteilaktion gegen Auflagen der Stadt verstoßen wurde und Beschwerden an die Stadt zu richten seien. Student*innen anderer Hochschulen schrieben als Reaktion auf meinen Post, dass sie sich nun auch beschweren und gegen die Verteilung an ihren Unis vergehen wollen.

Ich fordere, dass in Zukunft alle Campustüten an jeglichen Unis dieselben Inhalte haben und keine geschlechtlichen oder anderen Unterschiede gemacht werden. Ich rufe alle Studierenden auf, sich bei einer Verteilung der Campustüten im Oktober/November bei den zuständigen Stellen zu beschweren, falls sie weiterhin sexistische Inhalt beinhalten!