Von Tove Tovesson

Eigentlich möchte ich nicht über #ehefueralle schreiben, aber es ist kein Vorbeikommen an dem Thema. Während ich das tippe, zieht der „Zug der Liebe“ durch Berlin. Ich habe Freund*innen und Bekannte, die bisher nicht heiraten durften und sehnlich darauf warten. Die meisten meiner cis Heterofriends sind verheiratet und bei denen sagt auch niemand was dagegen, jedenfalls nicht so richtig. Schwierig, dann bei gleichgeschlechtlicher Ehe mit der Kritik anzurollen. Es geht mir auch nicht darum, den individuellen Wunsch zu heiraten abzuwerten. Es geht mir um die Frage, ob sich emanzipatorische Bewegungen in der Forderung nach Gleichberechtigung als Minimalkonsens erschöpfen sollten. Reicht es, ausschließende Strukturen (ein bisschen) zu öffnen?

Mit der Ehe für „alle“ können sich „alle“ in die heteronormative Fassade einfügen © Tine Fetz

Ich würde sagen, nein. Es ist okay, heiraten zu wollen, aber es ist nach meinem Verständnis von queer (als widerständige Praxis) keine queere politische Forderung und somit ist es schade, dass sie zum zentralen Thema „der“ LSBTIQ-Bewegung geworden sein soll. „Love is Love“ suggeriert, dass wir erst in Schwierigkeiten kommen, wenn L und S in der Öffentlichkeit Pärchenkram machen oder eigentlich sogar erst, wenn sie dann mal heiraten wollen und, verdammt, nicht können. Der Slogan ignoriert die Bedrohung von trans Personen, insbesondere trans Frauen, intersexuellen Menschen, schwulen, bisexuellen und lesbischen Menschen, die sie, noch bevor sie überhaupt dazu kommen, jemanden zu lieben, einfach nur für ihre Existenz erleben. In ihren Herkunftsfamilien, in der Öffentlichkeit, durch rechtliche Bevormundung und Diskriminierung.

Gleichzeitig bagatellisiert er die knallharten rechtlichen Privilegien, die die Ehe einräumt und deren Vorenthaltung schwule Paare während der Aids-Krise besonders perfide zu spüren bekamen. Davon spricht aber heute kaum noch jemand, sondern es bleibt bei einem unbedrohlichen „Love is Love“. Deshalb ist es vielleicht auch das einzige „queere“ Thema, zu dem ich nicht nur Support von LSBTIQ-Menschen sehe?

Das politische Ringen um die Öffnung der Ehe, gegen die in Deutschland so richtig nur noch die gewählten politischen Vertreter*innen etwas haben, das Ringen mit sich selbst also erinnert an Mister Bean, der sich am Strand verrenkungsreich umzieht, ohne sich zu entblößen, nur um dann festzustellen, dass der einzige andere Mensch am Strand blind ist. Ich würde mir wünschen, dass die Reaktion auf die Öffnung der Ehe ähnlich unterwältigt ausfiele.

Die Ehe für „alle“ ist nicht das, als was sie präsentiert wird, nämlich der letzte Schritt zur Gleichberechtigung, die mit Adoptionsrecht und Steuerkram ihre Vollendung findet. Sie ist bestenfalls eine überfällige Selbstverständlichkeit, über die ich persönlichen Jubel zwar (nicht so richtig) verstehen kann, aber für die ich keiner einzigen Partei auf irgendeine Schulter klopfen würde. Ich verstehe, dass man das haben möchte, was andere selbstverständlich längst haben dürfen, aber es ist schwierig, dabei den Mist zu übersehen, der sich in diesem Haben manifestiert. Die Ehe ist Mist. Vielleicht nicht für jede*n Einzelne*n, aber als staatliche Institution. Und eben nicht, weil oder so lange sie Schwule und Lesben ausschließt. Mehr Staat für alle ist keine Befreiung.

Erzkonservative können gleich mehrmals aufatmen, denn: Die vermeintlich sündigen Queers wollen doch alle nur in geordneten Bahnen Vater-Mutter-Kind mitspielen dürfen und gleichzeitig wird die Öffnung der Ehe wenig bis nichts dazu beitragen, dass diese Menschen sich sicher in der Öffentlichkeit bewegen können. Dass trans Personen selbstbestimmten Zugang zu angemessener Behandlung erhalten, trans Frauen statt Gewalt mehr Solidarität erfahren, Sexworker*innen selbstbestimmt arbeiten können, die körperliche Selbstbestimmung intersexueller Kinder geachtet wird, queere Refugees besonderen Schutz erhalten, und Schwule, Lesben und Bisexuelle, die nicht in ihrer eigenen Version der nuklearen Fast-hetero-Familie möglichst unsichtbar implodieren wollen, sondern ein anderes Leben wählen, dies ohne heterosexistische Diskriminierung tun können — all diese Themen bleiben.