Von Valerie-Siba Rousparast

Die politische Welt steht Kopf und die Werbe- und Modewelt reagiert darauf: Das Protest-T-Shirt ist zurück. Ist das nur ein Werbegag oder politischer Aktivismus?

©Dan Lecca

„Make Love Not Walls“, so heißt die neueste Werbekampagne der Jeansmarke Diesel. Im Werbeclip wird eine schwule Hochzeit gefeiert. Ein Motiv der Kampagne zeigt eine junge Schwarze Person, die von Freund*innen durch ein herzförmiges Loch in einer Mauer gehoben wird. Scheinbar befindet sie sich auf der Flucht in die USA – die sie nun erfolgreich bewältigt hat, umgeben von rosa Staubwolken. Auch wenn die Intention dieser Werbung war, „Liebe und Einheit“ zu feiern, frage ich mich, wie Diesel es für eine gute Idee halten konnte, Flucht zum Werbegag zu stilisieren.

Nicht nur romantisiert diese Werbung auf absurde Weise Flucht und die Ankunft in den USA, darüber hinaus wird – neben den kitschigen „Diversity“-Modebildern – im Videoclip von David LaChapelle, der die gesamte Kampagne fotografierte, das fiktive Bild des bedrohlichen Schwarzen Körpers, der mithilfe anderer PoC in das Land eindringt, neu inszeniert, jedoch weder hinterfragt noch umgeschrieben. Christina Dinar von der Amadeu Antonio Stiftung kennt die Bedeutung von Mode für politische Szenen und von politischen Codes in der Mode. Außerdem erarbeitet sie Präventionsmaßnahmen für Jugendliche gegen Hatespeech. Sie findet, dass solche rassistischen Narrative kein Teil von Werbeinszenierungen sein dürfen: „Denn es geht da nicht um Liebe, sondern um die Jeans, die ich tragen sollte.“ Kleidung ist immer eine persönliche Angelegenheit. Und außerdem eine politische. Doch der politische Aspekt von Mode und Kleidung geht über kitschige Jeans-Werbespots und Parolen auf T-Shirts, die gerade ihre modische Renaissance erleben, hinaus.

Nicht nur Modefirmen benutzen Protest, um sich ein politisches und menschenfreundliches Image zu verpassen. Jüngst streckte Reality-TV-Star und Model Kendall in einer Werbekampagne einem Polizisten eine Pepsi-Dose entgegen. Das Bild erinnert an das Pressefoto von Ieshia Evans, einer Demonstrantin, die sich im letzten Jahr schwer bewaffneten und martialisch uniformierten Cops entgegenstellte, um gegen Polizeigewalt zu protestieren.

Evans ist eine Schwarze Frau, die auf dem Originalfoto weißer Staatsgewalt gegenübersteht. Sie wird angegriffen, während sie friedlich gegen Polizeigewalt an Personen of Color demonstriert. Für die Neuinszenierung dieser Szene hat Pepsi ein weißes Model gewählt. So relativiert die Werbung nicht nur ein politisches Moment, sondern wird Teil eines strukturellen Rassismus, indem Schwarze Stimmen, Proteste und Kämpfe nicht nur zerschlagen, sondern auch negiert werden. Als wäre nichts passiert, konsumieren Menschen eine Werbung, in der sie nichts sehen als eine junge Frau, die ein Erfrischungsgetränk mit Polizisten teilt und sich mit ihnen solidarisiert. Aktuelle Proteste wie die Women’s Marches und die Demonstrationen von Black Lives Matter werden so ad absurdum geführt. Pepsi entschuldigte sich und erklärte, man habe nur eine Botschaft von „Frieden und Verständnis“ verbreiten wollen. Damit hatten sie wohl dieselbe Idee wie die Marketingabteilung von Diesel. [caption id="attachment_35701" align="alignnone" wi…