Tücken der Nostalgie
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Von Luise Vörkel
Was für eine Ankündigung! Im Januar 2015 wandten sich Tionne „T-Boz“ Watkins und Rozonda „Chilli“ Thomas auf der Fundraising-Plattform Kickstarter an ihre Fans. Die beiden verbleibenden Mitglieder des R’n’B-Pop-Trios TLC wollten ein neues Album aufnehmen – 13 Jahre nach dem Tod von Lisa „Left Eye“ Lopes im Jahr 2002. Damals arbeiteten TLC an ihrem vierten Album „3D“, Lopes brachte außerdem ein Soloalbum auf den Weg. Dann verunglückte sie in einem Autounfall auf Honduras.
„3D“ erschien posthum – mit Tracks, in denen Lopes rappt, neben Songs, in denen Watkins und Thomas ihrer gedenken. Ein trauriger Abschluss für das Werk von TLC, könnte man meinen. Da leuchtet es ein, dass T-Boz und Chilli die Geschichte ihrer Band mit etwas Abstand würdig schließen wollen. Der erste Eindruck beim Hören von „TLC“ enttäuscht allerdings. „No matter the trends, we feel like our music is always relevant“, schrieb das Duo in der Ankündigung seiner Kickstarter-Kampagne. „TLC“ wird diesem Anspruch leider nicht gerecht.
Relevant und schwer angesagt waren TLC in den 1990er-Jahren: Sie verbanden eingängigen Pop-Appeal mit der Sinnlichkeit von R’n’B und der Direktheit von Rap. Und nicht nur musikalisch, auch thematisch brachen TLC mit Konventionen. Im Video zu ihrer ersten Single „Ain’t 2 Proud 2 Beg“, die heute wahrscheinlich das Label „sexpositiv“ erhalten würde, tanzen die drei in mit Kondomen geschmückten Outfits. In ihrem Hit „No Scrubs“ knöpft sich das Trio Fuckboys und Artverwandtes vor. Und Jahre bevor die Musikindustrie das Thema Empowerment für sich entdeckte, griffen TLC die Schädlichkeit von Schönheitsidealen in „Unpretty“ auf.
Ein mächtiges Erbe also, an das TLC nun mit ihrem finalen Album anknüpfen. Und sie sehen gegen ihre 1990er-Jahre-Ichs ganz schön blass aus. Zwar bilden der rauchige Gesang von T-Boz und die glockenhelle Stimme von Chilli immer noch die schaurig-schönsten Harmonien – so machen sie zum Beispiel die G-Funk-Hommage „Way Back“ zu einer extra-smoothen Angelegenheit und „Joy Ride“ zu einem sexy Nostalgietrip Richtung Spätneunziger-R’n’B. Aber sonst ist auf „TLC“ viel heiße Luft.
TLC „TLC“
(852 Musiq/Starwatch Entertainment), bereits erschienen
In „It’s Sunny“ werden auf derart unambitionierte Weise Auszüge aus Bobby Hebbs „Sunny“ und aus Earth, Wind & Fires „September“ zusammengeschustert, dass man sich fragt, ob vom Kickstarter-Geld zu viel übrig war und noch ein paar Samples angeschafft werden mussten. Wo „Perfect Girls“ thematisch an „Unpretty“ anknüpfen will, bleiben nur noch Plattitüden („Don’t know who you are when the makeup’s off … who are you?“). Und was TLC mit der Self-Empowerment-Hymne „Haters“ versuchen, hat Taylor Swift schon mit „Shake It Off“ besser hinbekommen.
Klar, die Themen, die TLC auf ihrem letzten Album rumtreiben, haben nichts an Relevanz eingebüßt – doch der Ansatz von T-Boz und Chilli wirkt altbacken. So klingt „TLC“ überhaupt nicht frisch, sondern wie eine lieblos aufgewärmte Version ihrer alten Alben. Wer sich dem Popphänomen TLC also heute annähern will, der sollte lieber zu „CrazySexyCool“ greifen.