Von Lou Kordts

In der vor wenigen Wochen erschienenen Kolumne von Debora Antmann „Warum ‚Germany’s Next Topmodel‘ nicht so scheiße ist, wie ihr denkt“ wurde als einer der Gründe aufgeführt, dass das Modelbusiness trans Frauen eine der wenigen Möglichkeiten biete, Karriere zu machen – neben Sexwork. Debs hat sich für die undifferenzierte Darstellung von trans Frauen in Bezug auf Gewalt und Armut innerhalb kürzester Zeit entschuldigt. Ohne Debs kritisieren zu wollen, möchte ich die Gedanken zu Karriere und Repräsentation von trans Personen hier etwas vertiefen.

Die Narrativen um trans Frauen bei Germany’s Next Topmodel sind in erster Linie auf den cis Blick ausgerichtet © Tine Fetz

Immer das gleiche Klischee
Das Klischee, dass trans Frauen kaum eine Karrierechance haben außer Sexarbeit, hält sich hartnäckig. Das erscheint mir besonders komisch, da trans Personen überall sind – in jedem Job, in jeder Industrie, nur sind viele nicht geoutet oder stealth, also werden dabei nicht sichtbar.

Es ist auch schwerer für trans Personen, einen Job in der cissexistischen Gesellschaft zu finden, aber eben nicht unmöglich. Und während in anderen Ländern, gerade in den USA, medizinische Kosten kaum übernommen werden und dadurch ein sehr hohes Einkommen vonnöten ist, wird von den Krankenkassen in Deutschland immerhin einiges, jedoch bei Weitem nicht alles, übernommen. Aber gerade durch cissexistische und besonders transmisogyne Medien – ob Dokus, Serien, Filme oder Videospiele – werden Klischeebilder immer wieder wiederholt und durch ihre Wiederholung verfestigt.

Was ist an Sexarbeit und Modeling so anders?
Im cissexistisch strukturierten Kapitalismus sind trans Personen durch Antidiskriminierungsgesetze zwar geduldet, aber auch nicht unbedingt gemocht. In vielen Jobs gibt es daher trans Personen, obwohl die Personen trans sind.

Bei einigen Antidiskriminierungs- und Empowermentkontexten, auf Laufstegen und in Sexarbeit gibt es eine andere Wertung. Dort gibt es trans Personen, weil sie trans Personen sind. Dadurch werden trans Personen in diesen Kontexten sichtbarer als in anderen, weil eine konkrete Subjektposition angeboten wird. Das hat Vor- und Nachteile.

In der Sexarbeit ist diese Subjektposition klar definiert: High-femme trans weiblich ohne Intimoperation. Die Kund*innenschaft besteht aus fast nur cis Männern und es ist ziemlich unumgänglich, pathologisierende, abwertende Bezeichnungen zu nutzen. Stigmatisierung und bevormundende Gesetzgebung, wie das „Prostituiertenschutzgesetz“, machen zusätzlich das Leben schwer.

Marginalisiert lohnarbeiten zu müssen ist in jedem Fall nicht einfach und jeder Job hat große Nachteile. Und so ist es eine Abwägung, welche von den vorgegebenen Subjektpositionen am einfachsten zu ertragen ist. In meiner eigenen Transition hätte ich fast angefangen, als Sexworker*in zu arbeiten, um u. a. Epilationsbehandlungen zu finanzieren, vor deren Kostenübernahme sich Krankenkassen auf Systemlücken ausruhen. Aufgrund von gesundheitlichen Problemen kam es nie dazu, aber Sexwork gab mir (fast) die Möglichkeit, mich in einem transfeindlichen System zu empowern. Damit möchte ich nicht Sexwork in den Himmel heben – es gibt viele Probleme rund um Sexwork. Viele hängen damit zusammen, dass sie nicht entkriminalisiert ist und Sexarbeiter*innen zu wenige Rechte haben, andere damit, dass Lohnarbeiten müssen generell Mist ist und eine Gesellschaft, in der Diskriminierung die Gesellschaft strukturiert, immer und überall zu Scheißsituationen führt. Es ist, wie mit jeder Lohnarbeit, ambivalent.

„Germany’s Next Topmodel“
Um mal auf den Punkt von Sichtbarkeit, Repräsentation und „Germany’s Next Topmodel“ zu kommen: Neben den typischen trans Repräsentationen im Fernsehen, meistens als Witz, ist es sehr schön, positive Bilder von trans Personen zu sehen. In diesem Jahr gab es zwei trans Models, die an der Castingshow teilnahmen. Aber auch hier ist die Subjektposition wieder entscheidend. Gesucht wird ein*e schlanke, sehr feminine Teilnehmer*in, die eine Intimoperation hinter sich haben muss.

Beide Kandidat*innen werden sehr unterschiedlich dargestellt. Nur wenige Szenen dauert es, bis die erste Kandidatin mit einem Einspieler mit Deadnaming, Kinderfotos, Misgendering und „War einmal ein Junge“-Narrativ charakterisiert wird, alles unterlegt von dramatischer Musik. Immer wieder wird betont, wie mutig die Kandidatin ist. Es wird eines der üblichen Muster reproduziert: Das einzig Interessante an trans Personen sind ihre Transitionen und diese verlaufen von einem binären Geschlecht ins andere. Der häufig bis zum Bikini entkleidete Körper gibt dem cis Blick die Möglichkeit, den Erfolg der Transition zu begutachten. Immer wieder werden die Zuschauer*innen daran erinnert, dass die Kandidatin trans ist und dies zu dem Grund für Unsicherheit und Schwierigkeiten erklärt. Im Kontrast dazu steht die zweite trans Person. Sie outet sich erst mehrere Folgen später und wird bis dahin wie ihre cis Kontrahent*innen behandelt. Ihre Unsicherheiten werden nicht mit ihrem oh so harten Lebensweg, sondern mit Unsicherheit erklärt. Ihr Outing passiert glücklicherweise ohne Einspieler, aber das Kamerateam fragt danach ihre beste Freundin, ob sie sich verraten fühle.

Lou Kordts
1990 in Schleswig-Hostein geboren, identifiziert sich als Monster und beschreibt sich als weiße, dyadische nonbinary trans femme. Derzeit schreibt lou ihre Masterarbeit im Fach Kulturanalysen. Auf Twitter ist sie unter @epiclout unterwegs.

Ganz ehrlich, ich schau „GNTM“ halbwegs gerne und kann mit vielen der problematischen Aspekten der Sendung gut kritisch umgehen. Wenn es jedoch um trans Personen geht, schafft es die Sendung häufig, dass ich mir die Haare vor Wut ausreißen mag. Einerseits ist es so schön, trans Personen halbwegs gut repräsentiert zu sehen, und ich identifiziere mich sehr mit ihren Struggles, gerade bezüglich ihres Körpergefühls, weine beim Gucken und fiebere mit. Andererseits werden ihre Geschichten auf die cissigste Weise überhaupt aufbereitet und es ist furchtbar. Bei aller Liebe zur Ambivalenz, aber darauf könnte ich verzichten. Stattdessen bin ich für mehr und bessere Repräsentation von trans Personen, binär wie auch nicht binär, mit den unterschiedlichsten Körpern und unseren tatsächlichen Perspektiven und Struggles, statt weiter den ewigen Kanon, den Henry Benjamin mal eingestimmt hat, zu hören. Es ist so wichtig, das Gefühl haben zu können, dass 1 sein darf. Und es ist großartig, wenn „GNTM“, trotz Cissenfokus, immerhin ein paar trans Personen das Gefühl geben kann, dass sie sie sein dürfen.