Von Christina Mohr

Maya Jane Coles, 29, war viele Jahre so etwas wie der Geheimtipp der britischen DJ- und Producer-Szene. Seit ihrem Debütalbum „Comfort“ (2013) und ihrem viel beachteten Seitenprojekt Nocturnal Sunshine ist das anders, endlich bekommt sie als Solokünstlerin die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Ihr neues Album „Take Flight“ ist das bisher umfangreichste Werk der britisch-japanischen Künstlerin – und auch ihr persönlichstes. Christina Mohr hat mit Maya Jane Coles über das Album und ihre Arbeit gesprochen.

© Starkult Promotion

Gratulation zu deinem tollen neuen Album – was hat sich seit deinem Debütalbum „Comfort“ verändert in puncto Produktion?
Vielen Dank! Ich denke, dass „Take Flight“ meine Persönlichkeit genauso widerspiegelt wie „Comfort“, aber es hat sich natürlich einiges getan, z. B. ist meine Art zu produzieren ausgereifter geworden. Mit meinem ersten Album ging es mir in erster Linie darum, ein Statement zu setzen: Ich hatte das Gefühl, in einer ziemlich kleinen Underground-House- und -Techno-Szene festzustecken, während die Musik, die ich produzierte, ein viel breiteres Spektrum von Pop über TripHop und songbasierte Kompositionen abdeckte. „Comfort“ sollte zeigen, dass es mir um mehr als nur eine Sache geht, „Take Flight“ war meine Chance, einen Schritt zurückzutreten und die vielen verschiedenen musikalischen Elemente, mit denen ich gern arbeite, zu vermischen und in einer Reise von 24 Tracks zu präsentieren. „Take Flight“ besteht aus mehr unterschiedlichen Zutaten als „Comfort“, die Stimmung wechselt häufig.

„Take Flight“ wirkt poppiger als „Comfort“ oder deine Arbeit in deinem Nebenprojekt Nocturnal Sunshine – war das deine Absicht?
Interessant, ich finde ja „Comfort“ viel poppiger, aber es kann sein, dass dieser Eindruck entsteht, weil ich auf dem letzten Album viel mehr Gäste hatte. Auf „Take Flight“ gibt es weniger songorientierte Vokalpassagen, es geht mehr um die Strukturen und Emotionen von Sounds, mit meiner gesampleten Stimme als Extra. Technisch würde ich sagen, dass meine finalen Mixe sehr viel besser geworden sind und meine kompositorischen Fähigkeiten auch. Dieses Mal wollte ich Atmosphäre durch Instrumente erzeugen und weniger Gäste dabei haben – es ist ein viel persönlicheres Album geworden.

Du arbeitest hauptsächlich allein. Würdest du dich als Control Freak bezeichnen?
Ich bin ein hundertprozentiger Control Freak, wenn es um meine Musik geht! Es ist für mich wahnsinnig wichtig, die volle Kontrolle zu haben und alles selbst zu machen: von der Komposition über die Produktion bis zum endgültigen Mix. Deswegen mache ich auch das Artwork selbst und veröffentliche auf meinem eigenen Label. Falls ich später irgendetwas bedaure oder bereue, ist es besser zu wissen, dass es meine eigene Schuld war. Ich lerne lieber aus meinen Fehlern, als andere Leute zu beschuldigen.

Du warst mit Depeche Mode auf Tour, spielst vor großen Crowds in Ibiza und anderswo. Was ist dir lieber: der kleine Club oder das Stadion?
In Stadien und Arenen zu spielen ist eine verrückte, surreale Situation, aber es ist auch ein tolles Gefühl, deine eigenen Sachen vor einem so riesigen Publikum spielen zu können und es zu begeistern. Ich bevorzuge jedoch kleine, intime Clubs, weil die Konzentration auf beiden Seiten höher ist. Es ist einfach etwas anderes, in einem dunklen, kleinen Raum zu sein, alle gehen total im Sound auf. Man begibt sich auf eine spannendere musikalische Reise als auf einem Festival.

Ein deutscher Labelbetreiber verkündete unlängst, dass „weibliche DJs einfach nicht so gut“ seien wie ihre männlichen Kollegen – diese Äußerung hat natürlich einen enormen Aufruhr verursacht. Denkst du, dass weibliche DJs diskriminiert werden? Wie sind deine Erfahrungen?
Leute, die solche Sachen sagen, sind üblicherweise einfach faul – sie recherchieren nicht gut genug, um die interessanten Künstlerinnen zu entdecken. Oder sie sind aus irgendwelchen Gründen beleidigt, fühlen sich von talentierten weiblichen DJs angegriffen oder gar vertrieben, weil die Elektroszene so lange männlich dominiert war und die Dinge beginnen, sich zu verändern. Es gibt so viele aufregende weibliche DJs und Producer, aber wenn sie auf solche Labelchefs oder Booker treffen, ist es natürlich schwierig für sie, wahrgenommen zu werden. Aber generell denke ich, dass Frauen in der Szene nicht mehr so stark diskriminiert werden – Frauen wurden jahrzehntelang in allen nur denkbaren Bereichen unterdrückt. Mit Rassismus und Homofeindlichkeit etc. ist es doch ähnlich – vor 15 Jahren haben die Menschen anders gedacht als heute, und mit etwas Glück sind wir in weiteren 15 Jahren der Gerechtigkeit ein bisschen näher …
Es dauert eben, bis sich Veränderungen durchsetzen – doch ich habe das Gefühl, dass sich die Situation für Künstlerinnen langsam verbessert. Viele Promoter*innen setzen sich inzwischen dafür ein, gerechtere Line-ups für Festivals zusammenzustellen. Aber klar: Besonders Elektrofestivals und die gesamte Clubszene hatten schon lange einen kräftigen Tritt in den Hintern verdient!

Maya Jane Coles „Take Flight“
(I/AM/ME / Skint / BMG)

Was rätst du anderen Frauen?
Mein Geschlecht war und ist das Letzte, woran ich denke, das hat die Arbeit für mich leichter gemacht. Ich habe immer meine Musik sprechen lassen. Ich werde oft gefragt, wie es „als Frau“ im Musikgeschäft ist, und ich unterhalte mich oft mit anderen Musikerinnen über ihre/unsere/meine Situation, aber mein Hauptanliegen ist es, gute Musik zu machen. Natürlich ist es wichtig, dass sich Frauen zusammentun und gegenseitig unterstützen. Ich persönlich war sowieso nie auf bitchy Rivalitäten aus – aber diese Haltung hat nichts mit Gender zu tun, finde ich.