Von Lene Glinsky

In den letzten sieben Wochen habe ich mich jeden Montagabend mit Freund*innen aufs Sofa gekuschelt, um die neuesten Folgen der US-amerikanischen Serie „Game of Thrones“ zu schauen. In der traditionellen Nachbesprechung mit Pizza und Gummibärchen ließ uns neben den verstrickten Intrigen der Adelshäuser vor allem eine Frage nicht los: Ist die Verfilmung der Fantasy-Buchreihe „A Song Of Ice And Fire“ von George R.R. Martin unerträglich sexistisch oder reichen schwertschwingende Ladys und drachenreitende Königinnen aus, um „Game of Thrones“ aus feministischer Sicht sehenswert zu machen?

Die Serie bedient sich in den letzten Staffeln gerne plakativer Darstellungen exzessiver Gewalt und für den Plot irrelevanter Nacktheit von Frauenfiguren. So wie in der aktuellen Staffel das Erzähltempo deutlich (und zum Nachteil der Charakter- und Handlungslogik) angezogen ist, kommen jetzt auch die Figuren erstaunlich angezogen daher. Wahrscheinlich ist nicht nur der einziehende Winter und die damit verbundene Bedrohung durch bösartige Eis-Zombies Grund dafür, sondern auch die vielfache Kritik an der männlichen Perspektive der Serie.

©obs/Sky Deutschland/Helen Sloan

Von Fans und Macher*innen der Serie wird argumentiert, dass das Vorbild für die fiktive Welt von Westeros das England des 15. Jahrhunderts sei – und das war nun mal das dunkle Spätmittelalter voll sexualisierter Gewalt, Unterdrückung, Ständegesellschaften und Brutalität. Entgegen jeder pseudoauthentischen Verweise auf diese dark ages entschied man sich aber trotzdem für perfekt gelegte Frisuren und glatt rasierte Achseln. Wenn einerseits das Authentizitätsargument benutzt wird, um rassistische und sexistische Situationen im Fernsehen zu reproduzieren und zu entschuldigen, andererseits die Aufmachung der Frauenfiguren nicht unbedingt dem Schönheitsideal des spätmittelalterlichen Englands entspricht, wird klar: Gezeigt wird, was sich verkaufen lässt. Die gecasteten Schauspieler*innen entsprechen allesamt dem modernen westlich weißen Schönheitsideal und sexualisierte Gewalt ist dem Publikum erschreckenderweise wohl so vertraut, dass „GoT“ davon viel zeigt, selbst wenn es sich dabei von der Buchvorlage entfernt. Unter den männlichen Lead-Figuren finden wir dagegen weitaus weniger makellose normative Schönheiten und eine größere Diversität; es gibt z. B. den von Narben gezeichneten Sandor Clegane, den dicken Sam Tarly und eine große Anzahl weißer, alter Männer.

Hauptplot ist das Machtspiel um den Eisernen Thron, auf dem traditionell der Herrscher Westeros sitzt. Frauen haben in der patriarchalen Gesellschaft der Fantasy-Welt keinen direkten Zugang zu Macht. Zwar können sie als hochständige Adelige, als Liebhaberinnen oder Mütter des Prinzen subtil Einfluss auf das Geschehen ausüben, rechtmäßige Erben sind aber die männlichen Nachfahren.

Diese Strukturen beginnen, brüchig zu werden, als die schleichende Auslöschung aller männlichen Thronfolger über die letzten sechs Staffeln voranschreitet und schließlich Cersei Lannister (Lena Headey), der Witwe des letzten Königs und Mutter der verstorbenen Prinzen, den Sitz auf dem Eisernen Thron ermöglicht. Cersei kann nur zur ersten herrschenden Königin Westeros werden, weil sie vorher die rechtmäßigen Erben geboren hat. Deren Tod, die tiefe Zerrissenheit der anderen Häuser und andere größere Probleme wie die untoten Weißen Wanderer im Norden ebnen ihren Weg an die Macht.

Allerdings erhebt auch eine andere Anspruch auf den mit Schwertern geschmückten Stuhl. Daenerys Targaryen (Emilia Clarke), Tochter der Targaryen Dynastie, hat zwar keine menschlichen Kinder, dafür aber drei feuerspeiende Drachen ausgebrütet, mit deren Hilfe sie erst ein paar versklavte Völker befreite und jetzt nach Westeros zieht, um Cersei vom Thron zu schubsen. Durch ihre drei Babys hat sie fortan den Titel „Mutter der Drachen“ und auch die von ihr in den vorigen Staffeln befreiten Unterdrückten nennen sie „mhysa“ – Mutter. Dabei ist per se die Bezeichnung als Mutter natürlich nichts Schlechtes, aber wieso müssen mächtige Frauen immer als Mutterfiguren benannt werden – und das sogar, wenn sie noch nicht einmal Mütter sind?

©obs/Sky Deutschland

In der Erzählung der Serie haben sowohl Cersei als auch Daenerys nur Macht, weil sie etwas Mächtiges geboren haben, und nicht, weil sie selbst besonders clever oder diplomatisch sind. Als Cersei die Loyalität ihres Bruders/Lovers Jamie Lannister anzweifelt, erzählt sie ihm, dass sie jetzt mit ihrem gemeinsamen vierten Kind schwanger sei. In der Szene wirkt es, als benutze sie ihre Schwangerschaft als die letzte Möglichkeit, Jamie an sich zu binden – anstatt einfach mal Klartext zu reden.

Wenn „Game of Thrones“-Macher*innen den Frauenfiguren immerhin zugestehen zu kämpfen (und das sogar richtig gut und bisweilen stärker als Männer), dürfen die egal wie mächtigen Frauen trotzdem nicht als autonome Entscheider*innen daherkommen. Cersei und Daenerys tendieren beide zum „irrationalen“ oder „impulsiven“ Größenwahn und müssen immer wieder durch ihre „rationalen“ männlichen Berater auf den richtigen Weg gebracht werden.

Die stereotypische Darstellung, dass Männer rational und vernünftig und Frauenfiguren hauptsächlich gefühlsgeleitet seien (sogar wenn sie drei feuerspeiende Drachen und eine riesige Armee haben), ist abgegriffen und langweilig. Zentrales Motiv, warum Frauen in „GoT“ nach Macht verlangen, ist dabei natürlich ihre Familie. Sie morden, unterdrücken und betrügen, um ihre Eigenen zu schützen. Dabei ist ihre Liebe stets unreflektiert, verblendet und verkennt die Monstrosität ihrer eigenen Sprösslinge. So wie Daenerys leichtfertig ihre Drachen benutzt, um ganze Reihen von Soldat*innen lebendig zu verbrutzeln, erkennt auch Cersei ihren ältesten Sohn Joffrey nicht als den unmenschlichen Sadisten an, der er für alle Zuschauer*innen offensichtlich ist.

Moralisch integre Charaktere wie Ned Stark, den glatten und bescheidenen Jon Snow oder den leidenschaftlichen Buchnerd Sam Tarly sucht man in den Frauenfiguren vergeblich. Auch wenn „Game of Thrones“ seinen Frauen viel Platz einräumt – und ja, das ist in Mainstreamserien nicht so üblich –, zeigen sich die weiblichen Leads dabei immer als vergleichsweise eindimensional. Immer wieder durchkreuzt ihre Eitelkeit, ihre Rachsucht oder ein Egoismus, der sich nur auf sie oder ihre Familie bezieht, ihre Handlungen und zeigt sie als inkompetente Herrscherinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen.

Obwohl ein vermehrtes Aufkommen weiblicher Protagonist*innen in diverseren Rollen innerhalb solcher massentauglichen Serien wie „GoT“ zu begrüßen ist, zeigt sich im Rückblick auf die neue Staffel, dass besonders die Darstellung der politisch mächtigen Frau im Fernsehen immer noch einer Neuformulierung bedarf.

Wie sehr eine*n diese klischeehafte Darstellung nervt, obwohl sie sich mit Schwertern und coolen Drachen tarnt, muss jede*r selbst entscheiden. Auch wenn die neue Staffel meiner Meinung nach mehr Augenrollen als Applaus verdient, kann ich mich nach sieben Staffeln nicht mehr aus den Klauen lösen – und werde erst aufhören, wenn in der nächsten (und hoffentlich letzten) Staffel der ewige Winter endlich zu Ende ist.