Von Nadine Schildhauer

Auf einer alten Hausorgel in ihrem Kinderzimmer schrieb Nadine Finsterbusch mit zwölf Jahren ihre ersten Songs. Mit ihrer Band The Boobies (benannt nach ihrem Wellensittich, Brüste waren noch kein Thema), die sich aus Finsterbusch und ihren Cousinen zusammensetzte, nahm sie ihre ersten Kassetten auf. Dann Tragik pur im Jugendalter: Die Orgel warfen ihre Eltern nach ihrem Auszug weg, die Band hatte sich bereits zuvor aufgelöst.

© Svenja Pitz Photography

Nachdem die Sopransängerin und Antiheldin in der Schule sitzen blieb, wurde sie in die Klasse ihres späteren Bandkollegen Bruno Bauch versetzt. „Ich habe die Schule gehasst. Ich war die Allerschlechteste, habe immer in der letzten Reihe gesessen und geträumt. Ich wollte meine Eltern überreden, dass ich nach der Achten abgehen darf, weil ich ‚On The Road‘ gelesen hatte und abhauen wollte“, erzählt Finsterbusch.

Mit 16 gründeten Finsterbusch und Bauch die Band The Posh Kids, die im Laufe der letzten 22 Jahre mehrmals Bandnamen und Besetzung gewechselt hat. Fester Bestandteil blieben immer die beiden. So manchen Berliner Szenekenner*innen dürfte Nadine & The Prussians, eine der Nachfolgerbands, und die EP „The Elise“ ein Begriff sein. Damals waren Finsterbusch und Bauch noch leichtfüßiger unterwegs: Pop mit Schrammelgitarren, euphorischer Glanzstimme und verspielter nordamerikanischer Punkattitüde mitsamt Stil und Humor aus 1980er-Jahre-Highschool-Filmen wie „Heathers“.

Mit ihrem Debütalbum, das im Juni erschienen ist, kam der Turn: Im Sound melancholischer, in der Ästhetik dramatischer kommt „Magnets“ mit reduzierteren Gitarren und Keyboardelementen aus. Über einen Zeitraum von zwei Jahren haben Phinsterbush ihre Songs zwischen Frankreich und Deutschland aufgenommen. Einen festen Prozess gab es nicht: „Entweder habe ich eine Idee, die ich aufnehme, oder Bruno hat ein Instrumental und dann mache ich damit etwas, oder wir proben und entwickeln zusammen Songs“, erzählt Nadine Finsterbusch. Ramin Bijan, Bassist von Die Türen, hat das Album produziert. „Der hat so ein Ohr dafür gehabt, was wir wollen, und hat bereits unsere EP produziert“, so Finsterbusch. Zum geänderten Bandnamen sagt sie: „Zu der Ernsthaftigkeit der Musik hat es nicht mehr gepasst, einen Namen wie Nadine & The Prussians zu haben.“

Der Albumtitel und der Titelsong stehen für Beziehungen und Freundschaften. Finsterbusch: „Als der Titelsong entstanden ist, habe ich über jemanden nachgedacht, mit dem ich vor ganz langer Zeit zusammen war, und darüber, wie krass ich von ihm angezogen war. Mit dieser Idee hat es angefangen, aber es steht für alle Dinge, die sich wie Magneten anziehen und zusammenfügen. Es gibt viele Songs, die ich für Freund*innen geschrieben habe. In der Zeit ging es einigen nicht so gut, auch Freund*innen, die mich immer unterstützt und ermutigt haben, weiterzumachen. Freundschaften sind für mich die wahre Familie.“

Die Songtexte lesen sich wie lyrische Tagebucheinträge und Gesprächsfetzen. So auch das Duett „Between Opposites“ mit Andreas Spechtl, das an Nick Cave und Kylie Minogue erinnert. „Das Gespräch hat leider nie stattgefunden, obwohl ich es mir gewünscht hätte.“ Finsterbuschs glasklarer, rhythmischer Legato-Gesang sticht heraus. Über ihre Stimmfindung erzählt sie: „Ich habe von meinem elften bis 21. Lebensjahr im Chor gesungen und wurde meistens im Sopran eingeteilt. Den größten Einfluss auf meine Stimme hatte Björk, die ich mit 13 entdeckt habe. Ich habe immer ihre Lieder nachgesungen und meine Eltern damit in den Wahnsinn getrieben.“

Phinsterbush „Magnets“
(Hey!blau Records)

Mit „Magnets“ hat Finsterbusch ihre Stimme gefunden, ihr Songwriting weiterentwickelt und eine Ästhetik herausgearbeitet, die im Zusammenspiel mit Bruno Bauch ein Album entstehen lässt, das die Endsommertraurigkeit Berlins mit all ihren komplizierten Liebschaften und verstreuten Freundschaften gekonnt einfängt.