Von Christian Schmacht

Liebe Leser*innen dieser Kolumne, im folgenden Text wird eine konsensuale Sexszene zwischen zwei Erwachsenen geschildert, die an Erfahrungen von sexualisierter Gewalt erinnern kann.

Ich blase, ohne Gummi, auch wenn das inzwischen gegen das Gesetz ist; ein Schwanz fickt in meine Kehle, schnell, ich würge, mir laufen Tränen aus den Augen, ich kotze fast, mache noch extra so Würgegeräusche, weil ich weiß, dass er sich das wünscht. Dann kann ich den Würgereflex nicht länger unterdrücken und kotze. Das sollte eigentlich nicht passieren! Ich verstecke das Kotzgeräusch hinter einem Husten und spucke die Kotze schnell in ein Handtuch, zum Glück nicht viel, dann blase ich weiter und sage zwischen zwei Stößen: „Los Baby, spritz mir ins Gesicht!“ Er ist einfach nur glücklich darüber, dass ich das gesagt habe, denn er fragt noch ein paar Mal, ob er wirklich soll. Ich sage: „Ja, ja“, und er sagt: „Is ditt geil, ja? Is ditt geil?“ Ich sage: „Ja, es ist geil!“ Er kommt und ich schmiere dramatisch das Sperma in meinem Gesicht herum. Er wird kleinlaut, fast beschämt; sein Elan ist verflogen. Er steht nackt über mir und guckt unsicher auf mich drauf. Ich weiß, was er denkt: Er schämt sich für seine eigene Lust und fragt sich, ob er ein mieses Schwein ist. Ich bin bei so was immer extra freundlich, damit er nicht auf so einen Trip kommt, von wegen, ich hätte das nicht gewollt oder so.

©Tine Fetz

Dann gehe ich mich waschen und lasse unterwegs das Kotzhandtuch verschwinden und denke daran, wie wir gerade erst diesen Song von SXTN gehört haben, Skyler und ich: „Hass Frau, du nichts, ich Mann. Blase, bis du kotzt, aber kotz auf meinen Schwanz.“ Sie haben die Stimme von Alice Schwarzer gesampelt, die sich in einer Talkshow über HipHop empört, und dazu rappen sie von Frauenhass. Das war gestern, als wir nachts über die Autobahn fuhren. Wir redeten über die Lyrics und waren uns einig, dass sie uns gefallen und dass wir Alice Schwarzer hassen und dass SXTN es schaffen, gleichzeitig Typen zu dissen und sich über Alice-Schwarzer-Feminismus lustig zu machen. Und ausgerechnet heute blase ich, bis ich kotze, genau wie es Alice Schwarzer vorausgesagt hat! Ich lache und kann es kaum erwarten, Skyler zu erzählen, was passiert ist. Es gibt Komik, die sich nicht erklären lässt, denn Humor greift auf Bekanntes zurück. Sexworkerhumor erblüht aus unseren Erfahrungen und weil wir sie selten mit anderen teilen können, bleiben euch manche der lustigsten Momente meines Lebens verschlossen. Ich bin glücklich, dass ich Skyler habe, dass wir uns haben, dass wir immer genau voneinander wissen, was Sache ist.

Zu Sexarbeit haben viele eine Meinung. Die queere Rapperin Sookee hat einen Song gemacht über Sexarbeit auf ihrem neuen Album. Der Song heißt „Hurensohn“ und handelt vom Sohn einer Hure und davon, dass er ein richtig liebenswerter Bursche ist, der seine Mutter respektiert. Ich höre ihn mir manchmal an, weil er so unangenehm ist, wie auf einem entzündeten Pickel rumzudrücken, um den Schmerz zu spüren und den Eiter fließen zu sehen. Ich frage mich, warum Sookee nicht stattdessen über sich selbst schreibt. Darüber, warum sie selbst keine Sexarbeiterin ist (falls sie keine Sexarbeiterin ist), oder wie oft in ihrem Leben sie schon sexuelle Dienstleistungen gegen andere Vorzüge eingetauscht hat? Ein anderer Track von ihrem Album „Mortem & Makeup“ handelt nämlich davon, dass früher ihre Röcke zu kurz waren und die Leute in ihrer Clique sie nur dabei haben wollten, weil sie sie sexy fanden. Das wäre doch ein Anknüpfungspunkt an uns Profis. Sexuelle Dienstleistungen gegen Aufmerksamkeit ist ein bewährter Deal, dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Klar hat sie mehr verdient, ich auch, wir alle. Aber im Leben gibt es viele miese Deals. Manchmal müssen wir nehmen, was wir kriegen können.