Die Webserie „Berliner Farben“ steht für Schwarzes Empowerment
Von
Interview von Tasnim Rödder
„Berliner Farben“ ist eine dokumentarische Webserie auf YouTube, in der People of Color, LSBTI*-Leute und Personen, die auf künstlerische oder politische Art und Weise Position beziehen, in Berlin porträtiert werden. Mit der Plattform sollen Stereotype abgebaut und stattdessen ein Raum für Kreativität, Unterstützung und Wachstum geschaffen werden. Am 10. Oktober wird die zweite Staffel auf YouTube anlaufen.
In deiner Webserie „Berliner Farben“ geht es um Persönlichkeiten und Projekte, die sich für die Rechte von PoC und LSBTI*-Personen einsetzen. Kennst du die alle persönlich oder wie bist du an die Projekte gekommen?
Poliana Baumgarten: 2016 habe ich die Dokumentation „Was ist Rassismus?“ mit Freunden gedreht. Dabei haben wir Fragen gestellt wie: Wie stehst du zu den Bezeichnungen „N****“ oder „Kartoffel“? Wie erlebst du Alltagsrassismus? Machen Männer dabei andere Erfahrungen als Frauen? Und wie sieht eigentlich „hautfarben“ aus? So bin ich auf die Idee gekommen, eine Plattform für Menschen zu schaffen, die nicht gehört werden. Später konkretisierte sich meine Idee zu einer Webserie mit und über PoC in Berlin. Es sind aber auch weiße Menschen dabei, die sich für Minderheiten engagieren und geschützt Räume schaffen wollen. Einige meiner Protagonist*innen kannte ich schon aus dem Kontext, andere habe über einen Facebook-Aufruf gefunden.
Poliana Baumgarten, 26, ist Wahlberlinerin und sehr glücklich darüber. Zurzeit studiert sie an der Humboldt Universität in Berlin Afrikawissenschaften im Master, arbeitet bei der Deutschen Welle und dreht ihre eigene Webserie.
Gab es Maßstäbe, mit denen du deine Protagonist*innen ausgesucht hast?
Das Wichtigste ist mir, dass die Menschen Bock darauf haben, porträtiert zu werden und ihre Message und Ideen in die Welt zu tragen. Es braucht einfach solche mutigen Personen, mit denen sich im Speziellen PoC identifizieren können. Die Protagonistin der fünften Episode Mayowa Osinubi, Fotografin und Filmemacherin, hat z. B. wahre Dinge auf eine sehr nahbare Art und Weise gesagt. Sie sprach aus Erfahrung. Das finde ich einfach klasse. Mittlerweile habe ich schon über 20 Menschen interviewt. Ich könnte einfach immer weiter machen. Alle Menschen, die eine Geschichte zu erzählen haben, können sich gerne bei mir melden.
Wie bist du auf das Format Video gestoßen?
Ich finde, dass das Videoformat einfach das Potenzial hat, Stimmungen und Emotionen mit Bild, O-Tönen und Musik am besten zu transportieren. Das war mir auch bei „Berliner Farben“ sehr wichtig. Außerdem ist Video eine Leidenschaft von mir.
Wie liefen die Drehs ab? Hast du das alles alleine gemacht?
Ja, ich habe mir alles selbst beigebracht: drehen, Interviews führen, schneiden etc. Und auch bei den Drehs war ich mit den Protagonist*innen alleine. Bisher habe ich auch noch keine finanzielle Unterstützung, aber das ist okay. Ich sehe einfach den enormen Bedarf an Plattformen wie „Berliner Farben“. Es fehlt überall an Schwarzen Perspektiven.
Welche Botschaft möchtest du mit der Webserie vermitteln?
Ich möchte, dass die Menschen verstehen, dass PoC keine homogene Masse sind. Jede*r ist individuell. In ihrem Video erklärt Mayo z. B., dass es auch innerhalb der Schwarzen Szene Stereotype gibt, die es dringend aufzudecken gilt. Außerdem habe ich genug von Quotenausländer*innen im deutschen Fernsehen: die türkische Putzfrau, der Schwarze Müllmann. Die funktionieren nämlich alles andere als empowernd. Ich sehe es als Aufgabe der Serie, Stereotype zu brechen und Menschen zu ermutigen.
Die erste Staffel ist nun schon seit Sommer 2017 online. Wie ist das Feedback?
Bisher kam gutes Feedback. Viele Protagonist*innen haben sich nach den Drehs bei mir bedankt. Das hat mir die Kraft gegeben weiterzumachen.
Hast du auch Gegenwind bekommen?
Als ich anfangs den Facebook-Aufruf postete, bekam ich Hasskommentare. Menschen beschwerten sich darüber, dass meine Idee das Bild von Berlin verzerren würde, wenn ich PoC porträtiere. Dadurch würde nämlich die Identität uriger Berliner*innen untergehen. Es gibt da allerdings einen entscheidenden Unterschied: Für Schwarze Menschen hat sich bisher keiner interessiert.
Was ich allerdings als noch diskriminierender empfand, war der Weg, den ich gehen musste, um die Webserie überhaupt drehen zu können. Ständig wurde mir bei der Arbeit meine Expertise abgesprochen. Wenn ich beispielsweise einen Kameramann etwas fragte, kamen Antworten wie „Geh dich erst mal schminken“. Dieses Mädchen-tragen-Rosa-und-Männer-Blau-Denken nervt. Und manche der Typen, die mir vorher nichts zutrauten, wollen heute mit mir arbeiten.
Aber all das hat mich eben auch gestärkt. Irgendjemand Schlaues hat mal gesagt: „I am an artist and I am sensitive about my shit.“ Ich habe als PoC Zugänge zu Räumen, die andere nicht haben. Ich nutze dieses Privileg, um Gutes zu tun.
Vergangenen Sonntag hat Deutschland erstmals eine rechtsextreme Partei in den Bundestag gewählt. Wie blickst du auf die Wahl? Und wie schaust du in die Zukunft?
Vor der Wahl war mein Projekt eine gute Idee, jetzt ist es notwendig. Wir müssen uns jetzt gegen diese rechten Bewegungen organisieren. Eigentlich habe ich geplant, erst mal eine Pause zu machen. Das habe ich verworfen und arbeite nun weiter an neuen Episoden.