Von Leyla Yenirce

Sexismus im Rap ist nichts Neues. Dass das Thema komplex ist, auch nicht. Denn wie bereits in dem Text „Nicht die Schlampen sind whack, sondern Cro“ festgestellt, spiegeln sexistische Verhaltensweisen oft die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen wider, aus denen die Musik hervorgeht. Es macht die Sache nicht schöner, aber vielleicht ein wenig verständlicher. Was aber neulich durch meine Timeline gespült wurde, konnte ich nicht einfach durch soziale Verhältnisse erklären. Es ging nämlich über die bloße Sexualisierung von Frauen hinaus und richtete sich konkret gegen die Emanzipation von Frauen.

User*in A über den Rapper auf YouTube: „irgendwie hat Kurdo seit drei Jahren Liebeskummer“ © Tine Fetz

Die Rede ist von Kurdo und Majoe, zwei Rapper, die sich musikalisch nicht lohnen, weil sie weder besonders innovativ sind, noch durch einen Überflow brillieren. Aber ein neues Album ist gerade erschienen und dementsprechend ist Promo wichtig für einen hohen Charteinstieg. Wie lässt sich diese Promo üblicherweise am besten erzielen? Mit einem Skandal oder im Rap typisch: einem Diss. Denn dann reden große Internetportale wie hiphop.de oder 16Bars.de über den Streit und zack, sind die Namen der beiden Rapper bei den Leser*innen wieder auf dem Schirm und vielleicht resultiert daraus der ein oder andere Albumkauf.

Wie tief Künstler jedoch sinken, um Aufmerksamkeit zu erhaschen, hat sich bei eben beiden Rappern bewiesen, die in einem Track auf ihrem neuen Album das Rapperinnen-Duo SXTN beleidigen. Dabei zerreißen sie weder ihre Musik oder streiten darüber, wer die fetteren Reime schreibt, sondern reden einzig und allein darüber, wie scheiße sie es finden, dass sie als zwei Frauen emanzipatorische Wege im Rap einschlagen.

„Nimm meinen Sch**nz in den Mund wie ein Crispy-Chicken / Bin kein Pädo**iler, aber würde SXTN f**ken / Den Whiskey kippen, das ist Banger Musik, Bro / Wir kennen keine Emanzipation“ und weiter „Rede nicht wie eine von der Rockergang / Ihr N**ten, wie kann man sich selber F**ze nennen?“

Was hier von sich gegeben wird, ist ein gezielter Angriff auf das, was SXTN als Rapperinnen zum Ruhm verholfen hat. Sie gehen humorvoll mit Frauenfeindlichkeit um und eignen sich Zuschreibungen an, indem sie sich beispielsweise selber Fotzen nennen.

Wer sich andere Songs von Kurdo anhört, wird schnell feststellen, dass er ziemlich gut darin ist, Fremdscham auszulösen, denn neben Zeilen wie “Nur echte Männer können Frauen schlagen“ folgt ein Herzschmerz-Lied dem nächsten. Ein User namens A hat bei YouTube schon richtig festgestellt, wenn er*sie schreibt: „irgendwie hat Kurdo seit drei Jahren Liebeskummer“, während ein*e User*in namens Happy Faire Tale erkennt, dass der Rapper einen ziemlich „verfickten Charakter“ besitzt. Danke, Internet-Community!

Ich liebe Gangster Rap, Xatar und Haftbefehl stehen auf meiner Playlist ganz oben. Sie benutzen auch oft Ausdrücke, die mir nicht gefallen, aber bei ihnen habe ich noch nicht erlebt, dass sie gezielt emanzipatorische Bestrebungen von Frauen degradieren. Im Gegenteil: Xatar hat auf seinem Label Alles oder Nix Records die Rapperin Schwesta Ewa unter Vertrag genommen, die in ihren Songs Erfahrungen aus ihrem Leben als Sexarbeiterin verarbeitet. Außer Acht möchte ich an dieser Stelle aber nicht lassen, dass sie wegen Verdachts auf Menschenhandel vor Gericht stand und wegen Körperverletzung und anderen Delikten zu zweieinhalb Jahre Haft verurteilt wurde.

Das ist genau so haram wie Kurdo, der bevor er in seinen Tracks über seine Exfreundin heult, sie vorher bestimmt schon zehn Mal zusammengeschlagen hat. Komisch, dass jemand, der für Frauen so wenig übrig hat, es trotzdem nötig hat, sie zu benutzen, um seine schlechte Musik zu bewerben. SXTN kann es glücklicherweise egal sein. Mit ihrem neuen Album sind sie in den Top 10 der deutschen Albumcharts eingestiegen, während ihre Konzerte meistens ausverkauft sind. Sprich: Sie sind ziemlich erfolgreich.

Ich habe mich gefragt, ob ich diesen Text überhaupt schreiben soll oder ob ich dann auch in die Promofalle tappe, indem ich Aufmerksamkeit auf die beiden Rapper lenke, aber einfach im Raum stehen lassen konnte ich es auch nicht. Dafür ist die Aktion einfach zu whack und die Tatsache, dass sich schon über eine Million Menschen den Song angehört haben, eine verbale Schelle wert. Wie es sich im Rap gehört.