Von Barbara Schulz

Paris: Im noblen Hotel Bristol, direkt ums Eck vom streng abgeriegelten Élysée-Palast, empfängt die Schauspielerin Noomi Rapace zum Interview. Die schwedische Schauspielerin wurde als toughe Lisbeth Sander in der Erstverfilmung der Millennium-Trilogie von Stig Larsson international bekannt und begeisterte das Publikum ebenfalls in Ridley Scotts „Prometheus“. Rapace ist bekannt dafür, sich immer voller Elan in ihre Rollen zu stürzen – und gutes altes Method Acting zu betreiben. Wir treffen uns, um über ihren neuen Film „What happened to Monday?“, ein Science-Fiction-Thriller des norwegischen Regisseurs Tommy Wirkola zu sprechen, der nun in den Kinos startet. Darin bekleidet Noomi Rapace sieben Rollen auf einmal – eine große Herausforderung und auch eine Grenzerfahrung, wie sie im Interview verrät.

©Splendid Film GmbH

Als wir, ein norwegischer Journalist und ich, den Raum betreten, springt Noomi Rapace, die nicht so boyish wirkt wie in ihren Rollen, vom rosa Sofa auf und zeigt ein strahlendes Lächeln. Ihr Outfit passt zum Raum: rosa Häkelanzug, pinke Fingernägel und blaue Wildleder-High-Heels. Ihr Händedruck ist sehr fest, genau wie ihr Blick. Wenn sie lacht, bricht es regelrecht aus ihr heraus.

Frau Rapace, wie sind Sie zu der Rolle der Siebenlinge in „What happened to Monday?“ gekommen?
Noomi Rapace: Der Regisseur, Tommy Wirkola, schickte mir das Drehbuch und sagte: „Hier steht zwar, dass es um sieben Brüder geht, aber ich will das in sieben Schwestern ändern – wenn du es magst! Versuch, es ganz unvoreingenommen zu lesen!“ Ich las es und war sofort Feuer und Flamme, aber auch ängstlich. Ich hab ihn gleich am nächsten Tag angerufen und sagte: „Verdammt, ja, ich mache mit!“ Danach gab er das Drehbuch zu den Financiers und Produzenten und verriet mir, dass er nur mich in der Rolle sähe – es gäbe niemand anderen für ihn als mich, die das schaffen könnte. Also änderte er die Rollen in Frauenrollen um.

Was war Ihnen bei der Auslegung der Rollen besonders wichtig?
Ich wollte jede von ihnen einzigartig und stark darstellen, sie wiedererkennbar machen, so dass das Publikum sie auseinanderhalten kann. Und das, ohne dabei in Klischees zu verfallen, ohne sie zu Schablonen zu machen wie, „You know, woah, this is the bad girl, this is the tough girl, this is the slut, she is the nerd“ – ich wollte sie lieber komplex darstellen. Dann stellte ich fest, dass alle sieben Schwestern verschiedene Versionen meiner selbst sind. Ich kann sie zurückverfolgen, wenn ich an verschiedene Zeiten in meinem Leben denke, als ich mehr wie jede Einzelne von ihnen war. Das Drehen war anstrengend, dieses „Rein und Raus“ aus dem jeweiligen Charakter. Bevor wir mit dem Dreh begannen, hoffte ich, dass ich pro Tag eine Rolle spielen könnte und nicht so viel zwischen den Rollen switchen müsste. Stattdessen war ich an manchen Tagen in sieben Rollen, manchmal in fünf, ich dachte, mir platzt der Kopf. Dann entwickelte ich ein Ritual, um mich von einer Figur zur nächsten zu verwandeln. Ich begann, sieben verschiedene Parfüms zu benutzen, hatte sieben verschiedene Playlists, um die Rollen zu trennen, und ich arbeitete sehr eng mit dem Kostümdesigner, um die verschiedenen Looks zu kreieren; das half mir sehr.

Wie haben Sie Tommy Wirkola kennengelernt?
Ich habe ihn auf dem Flughafen in Oslo getroffen, als er „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ drehen wollte. Ich wollte nach Stockholm und er nach L.A., wir hatten eineinhalb Stunden  Zeit – das war vor etwa sieben Jahren. Ich mag diesen Mann, er hat einen speziellen Humor, ist sehr talentiert und ein unglaublicher Film-Nerd. Er hat viel Vertrauen und ist sehr spielfreudig und offen für Ideen. Ich konnte damals leider nicht bei „Hänsel und Gretel“ mitspielen, weil ich gerade „Prometheus“ drehte, aber wir blieben in Kontakt. Tja, und dann schickte er mir dieses Skript und wir starteten diese Reise zusammen.

Hat es sich also gelohnt, sieben Jahre auf die sieben Schwestern zu warten?
Ja, absolut! (schallendes Lachen) Ich mag es, wie er Genres aufbricht und sie miteinander mischt. Als wir mit der Promo für den Film begannen, fragte uns jemand, ist „What happened …?“ ein Thriller, ist es Sci-Fi, ist es ein Drama? Er sagte: „Wozu Schubladen? Man kann seine eigene Welt kreieren.“ Das finde ich sehr inspirierend.

Was macht die Story des Films Ihrer Meinung nach relevant?
Ich hoffe, dass der Film ein bisschen wie ein unterhaltsamer Weckruf rüberkommt. Ich denke, wir brauchen Politiker*innen und andere mächtige Personen, die Veränderungen vornehmen und aktiv werden. Denn so, wie wir leben, wie wir die Welt behandeln, wie wir mit den Ressourcen umgehen, geht das nicht weiter. Die Welt wächst so schnell, das ist nicht zukunftsfähig, das funktioniert nicht. Wir müssen etwas tun. Für mich ist es schockierend, aber einige Politiker und Leute in wichtigen Positionen ignorieren die Tatsache, dass etwas getan werden muss. Wenn wir eine gute Welt für die Kinder meines Sohnes haben wollen und für seine Enkelkinder müssen wir etwas verändern.

Treffen wir Sie deshalb in Paris, wegen des „Paris Agreements“,  des Übereinkommens von Paris, bei dem sich 2015 195 Staaten zum Klimaschutz verpflichtet haben?
Genau, deswegen (lacht).

Wie war es, mit der Schauspielerin Glenn Close zu arbeiten?
Sie ist für mich eine der größten Schauspielerinnen überhaupt. Ich erinnere mich noch, als ich sie in „Gefährliche Liebschaften“ mit John Malkovich sah. Ich war damals ein Teenager und sehr beeindruckt – sie versucht nicht, bescheiden zu sein, hübsch zu sein, sie ist einfach unfassbar kraftvoll. Sie war immer eine Inspiration für mich. Mit ihr zu arbeiten, war großartig. Sie ist sehr großzügig, sehr liebenswürdig, sehr witzig. Ich war traurig, als unsere gemeinsame Drehzeit vorbei war.

Wie schwer sind Ihnen die Nacktszenen gefallen?
Nacktszenen sind immer seltsam, aber ich habe mich gut aufgehoben gefühlt. Wir hatten Vereinbarungen, wir wussten genau, was wir machen wollten. Es ist etwas anderes, wenn ich denken würde, der Regisseur stünde da, würde die Situation ausnutzen und den Dreh länger machen als nötig. Dann würde ich mich unwohl fühlen. Aber Tommy ist ein Profi, und alle anderen, die dabei waren, auch – das macht es easy. Man muss es halt machen – und mehr nicht. Und es ist eine schöne Szene geworden, die eine spezielle Bedeutung hat. Es ist das erste Mal in Saturdays – sie ist eine der sieben Schwestern – Leben, es ist ein wichtiger Moment für sie, sie hat sich aufgespart. Es ist keine Sexszene, die den Film zusätzlich „würzen“ soll.

„What happened to Monday?“ UK/F/B/USA 2017. Regie: Tommy Wirkola. Mit: Noomi Rapace, Glenn Close, Willem Dafoe u. a., 123 Min., Start: 12.10.

Sind skandinavische Schauspieler*innen und Filmemacher*innen gerade sehr gefragt?
Ich denke, skandinavische Filmemacher*innen werden sehr respektiert genauso wie die Schauspieler*innen. Das Tolle ist ja auch, dass sie das Beste aus beiden Welten vereinen, Skandi und Hollywood. Als europäische Schauspieler*innen können wir uns glücklich schätzen, dass wir eine andere Perspektive auf diese Hollywoodblase haben. Wir sind nicht so sehr drin, haben eine gesunde Distanz. Ich glaube, wenn du in so einer Welt aufwächst und das dein einziges Universum ist, die einzige Referenz, kannst du leicht darin untergehen. Ich kann immer noch sagen, „Fuck that, Fuck no, ich werde dieses Beauty-Ding nicht mitmachen, ich will es anders machen“ und ich kann selbstbewusst sagen, dass ich an etwas anderes glaube. Ich möchte nicht diesen Pretty-Girl- und Cute-Thing-Kram machen, weil ich weiß, dass es mehr gibt. Und ich weiß, ich kann immer wieder zurückgehen und Filme zu meinen eigenen Konditionen machen. Außerdem liebe ich es, dass europäische und skandinavische Filmemacher*innen sich gegenseitig unterstützen. Ich finde es auch wichtig, dass sich Frauen gegenseitig mehr unterstützen. Ich meine, schauen Sie sich doch nur Hollywood an: Da sind George Clooney, Brad Pitt, Matt Damon und Ben Affleck – und sie umarmen sich immer und unterstützen sich. Sie sind wie eine Gang. Wir Frauen hingegen sind eher getrennt voneinander, jede macht ihr eigenes Ding. Ich denke, es ist langsam Zeit, dass wir das ändern und näher zusammenrücken.

Werden Sie noch einmal die Lisbeth Sander spielen?
Nein, das ist kein Thema. (sagt sie sehr entschieden – und lacht dann laut)