Von Tasnim Rödder

In einem perfekt anliegenden Einteiler sitzt Melanie-Jame Wolf im Café, ihre knallpinken Lippen strahlen bis zum Eingang. Als ich ihren Stil lobe, sagt sie: „Ich liebe meine Kurven und bin froh, sie betonen zu können.“ Das passt zu ihr und zu ihrer Perfomance „HIGHNESS“, die sie vom 25. bis 28. Oktober in den Sophiensælen erstaufführen wird.

Das Stück behandelt die Vorstellungen des majestätisch Weiblichen. Was sind überhaupt König*innen? Und wie wird man zu einer? Diese und viele weitere Fragen wird Melanie-Jame Wolf in ihrer Performance aufgreifen.

©Sam Smith

Bevor ich dich über deine Performance ausfragen werde, möchte ich gerne ein aktuelles Thema aufgreifen: Momentan ist der „Weinstein-Skandal“ medial sehr präsent. Schauspielerin und Opfer des Filmproduzenten Harvey Weinstein Alyssa Milano rief dazu auf, sich mit dem Hashtag #metoo dazu zu bekennen, auch Überlebende sexueller Belästigung gewesen zu sein. Was hältst du von solchen Hashtag-Kampagnen?
Melanie-Jame Wolf: Als ich gestern Morgen aufwachte und überall diese Hashtags sah, war ich erst mal kritisch. Es fühlte sich so an, als wäre es meine Pflicht mitzumachen. Aber dann wurde mir klar, wie wichtig das Thema für viele Betroffene ist und was es für ein Kraftakt ist, sich dazu zu bekennen. Das schätze ich. Aber da draußen gibt es noch so viele Frauen, die es sich noch nicht trauen (können). Oft denke ich, ob es nicht besser wäre, den Fokus auf die Übeltäter zu legen und stärker daran zu arbeiten, das Patriarchat aufzudecken und zu dekonstruieren.

Ende Oktober wirst du die Performance „HIGHNESS“ erstaufführen. Dafür hast du zusammen mit Kolleg*innen eine Multimediashow mit einem eigenen Bühnenbild, zahlreichen Kostümen, über acht Stunden Videomaterial und zwei Backuptänzer*innen konzipiert. Es ist der zweite Teil der Performancetrilogie zu weiblichen Archetypen, die 2015 mit „Mira Fuchs“ begann. Wie kamst du auf die Idee, eine Trilogie zum Thema Weiblichkeit zu konzipieren?
Als ich anfing, „Mira Fuchs“ zu planen, wurde mir klar, dass das Stück nur ein Teil eines Ganzen darstellen kann. Es bedarf eines Rahmens, um das feministische Werk einordnen zu können. Der erste Teil beschäftigte sich mit dem Archetyp der Hure, der zweite wird unser Bild der Königin reflektieren und im dritten Stück wird es um alte Frauen gehen. Es wurde Zeit, dass diese Archetypen kritisch revidiert werden. Das Besondere ist, dass ich mir diese Urtypen im popkulturellen Kontext anschaue. Ich möchte mit meiner Kunst festgefahrene Vorstellungen aufbrechen und neu schreiben.

Wie gestalteten sich die Reaktionen auf eine dramatische Trilogie zum Thema Weiblichkeit?
Fast alle Frauen, mit denen ich über die Show redete, fanden die Idee klasse – besonders die verschiedenen Facetten der Weiblichkeit, die ich mit den Shows zeige. Viele Männer fragten mich, warum ich den Archetyp Mutter nicht bearbeite. Als hätte ich nicht darüber nachgedacht. Natürlich ist das Muttersein ein großes Thema. Aber jeder Typ, den ich in meinen Performances aufgreife, kann auch Mutter sein. Mich interessieren die Figuren eher im popkulturellen Sinne. Außerdem bin ich selbst noch keine Mutter – kann also für keine sprechen.

Wie kamst du auf die Idee, den Archetyp der Queen zu thematisieren?
Mir ist aufgefallen, dass in unserer Gesellschaft der Begriff inflationär genutzt wird. Du findest ihn überall: Sade ist eine Königin genauso wie Queen Elisabeth oder Oprah Winfrey. Das hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, was es eigentlich bedeutet, eine Königin zu sein. Müssen wir vielleicht sensibler mit diesem Terminus umgehen?

Wie hast du für die Performance recherchiert?
Ich wälze keine Bücher, bevor ich ein Stück mache. Meine Performances speisen sich aus meinen eigenen Erfahrungen, Erlebnissen und Gedanken. Es ist in mir und ich lasse es raus. Popkulturelle Idole waren schon immer eine Leidenschaft von mir. Madonna, Beyoncé, Sade, ich liebe sie alle! Also schaute ich sie mir und ihr Auftreten noch mal genauer an. 1) Was sie verbindet, ist eine bestimmte Erhabenheit, eine Würde. Aber wer verleiht ihn diese – sie selbst oder jemand anderes? Außerdem strahlen sie alle eine starke Weiblichkeit aus, die von vielen auch kritisiert wird. Schminke, Kostüm, Grazie, das alles kann auch sehr beklemmend sein. Das habe ich erst so richtig verstanden, als ich „HIGHNESS“ konzipierte. Neben popkulturellen Königinnen schaute ich mir auch Meisterinnen ihres Fachs, Drag-Superstars und echte Monarchinnen, an.

Das Köngliche scheint ein umgarntes Thema zu sein. Auch Simone Dede Ayivis Stück „Queens“, das kürzlich in den Sophiensælen lief, handelt von König*innen.
Tatsächlich hat Simone auch dieses Thema gewählt und ich bin total froh darüber, mit ihr in einem Kontext genannt zu werden. Doch sie geht anders an das Thema ran. Zwar wird Postkolonialismus in meinem Stück auch mitgedacht, ist aber nicht zentral wie bei Simone.

Inwiefern ist deine Performance intersektional gestaltet?
Das war eine der größten Herausforderungen, denen ich begegnete. Es wäre falsch von mir, für PoC zu sprechen, weil ich einfach keine bin. Trotzdem ist es für mich als Australierin ein wichtiges Thema. Es zu ignorieren wäre genauso schlimm. In der Performance rede ich von Kolonialismus und Postkolonialismus in Form von Diebstahl und Aneignung.

An wen richtest du das Stück?
Ich widme „HIGHNESS“ jeder Queen, jeder Königin, die ich jemals getroffen habe. Dabei vermeide ich es, so oft wie es geht, nur von Frauen oder Weiblichkeit zu sprechen. Die Zukunft ist nicht weiblich – sie ist non-binary.

Hast du den Anspruch, mit deiner Kunst etwas zu verändern?
Ja, ich habe schon Ansprüche an mich und meine Performance. Aber meine Strategie ist es, Impulse zu geben. Ich habe keine generellen Lösungen für Probleme. Ich freue mich, wenn ich Fragen in den Köpfen meiner Zuschauer*innen säen kann. Das Schönste ist, wenn Leute mir rückmelden, dass ich sie nachhaltig zum Nachdenken gebracht habe.

Glaubst du generell an die Kraft der Kunst, politische Gegebenheiten zu verändern?
Ich glaube nicht an Artivismus, an aktivistische Kunst. Aber ich glaube daran, dass Kunst kritisches Denken fördern kann.