Von Stefanie Wenner

Souverän ist, wer über allem steht. Das ist eine mächtige Fiktion. Der Souverän ist unantastbar und in der Regel männlich. Gerade im Theater sind nach wie vor mit einigen Intendanten Musterbeispiele für diese Idee von männlicher Souveränität konserviert, die zudem sexistische Bilder von Weiblichkeit immer aufs Neue reproduzieren. In „Highness“, dem gerade in den Sophiensaelen herausgekommenen zweiten Teil ihrer Trilogie zu weiblichen Archetypen, setzt Melanie Jame Wolf sich performativ mit diesen Projektionen von Frau und Objektstatus auseinander. Anhand des Bildes der Königin und des majestätisch Weiblichen untersucht sie die widersprüchliche Konstruktion von Souveränität, jener machtvollen und zerstörerischen Fiktion.

Die Autorin Stefanie Wenner hat es satt, sexistische Theaterbesprechungen zu lesen © Marcel Schwickerath

Vergangene Woche haben Dr. Azadeh Sharifi und Matthias Dell  die Rassismen in den Rezensionen zu Anta Helena Reckes Schwarz-Kopie von „Mittelreich“ an den Münchner Kammerspielen kritisiert. Direkt im Anschluss stellt sich die Frage, ob wir einer Neuauflage von Exotismus und Sexismus sprachlos beiwohnen möchten, die sich in Kritiken wie der von Gabi Hift über die Premiere von „Highness“ auf nachtkritik.de äußert. Hift spricht dort zunächst und vor allem davon, wie sehr sie Fan des vorherigen Stückes, „Mira Fuchs“, von Melanie Jame Wolf sei. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich der Künstlerin freundschaftlich verbunden bin und bereits mehrfach in verschiedenen Projekten eng mit ihr zusammengearbeitet habe. Auch ich bin Fan von „Mira Fuchs“, in der Wolf in strategischer Überbietung stereotype Weiblichkeit in ihrer Performance dekonstruiert und das Verhältnis von Subjekt und Objekt der Betrachtung virtuos aus den Angeln hebt.

Es ist schön, dass der Kritikerin der „Nachtkritik“ die frühere Performance gefallen hat, deplatziert ist indes die Art und Weise, wie sie diesem Gefallen Ausdruck verleiht. Sie tut dies in an einer an Sexismus kaum zu überbietenden Sprache, die sich an den Qualitäten der Körpers der Performerin mehr delektiert, denn aussagekräftig eine Kritik zu formulieren. Sie erfreut sich an der Performerin in „Mira Fuchs“, „splitterfasernackt ausgezogen, groß, üppig, alabasterweißer Körper, schwarzes Haar, phantastische Brüste“. „Highness“ vermochte sie nicht zu überzeugen, außer: „Auf jeden Fall kann man Wolfs herrlichen Körper bewundern, der mit Bravour jegliche Balance hält. Sie anzusehen, wie sie geht, steht, sich dreht, ist auf jeden Fall Genuss, sie ist eine schillernde Schönheit, ein Glanz.“

Über die Autorin
Stefanie Wenner ist Kuratorin und Dramaturgin, promovierte Philosophin und arbeitet seit 2014 unter dem Label apparatus an besseren Darstellungen von Wirklichkeit mit den Mitteln des Theaters. Zuvor war sie u. a. am HAU und beim Theaterfestival Impulse engagiert. Seit 2015 ist sie Professorin für Angewandte Theaterwissenschaft und Produktionsdramaturgie an der HfBK Dresden. Januar 2017 initiierte sie die internationale Konferenz Matter: States of Agency.
Foto: ©Sandra Umathum

Wenn auf der „Nachtkritik“-Seite im Jahr 2017 Sätze über einen Abend in den Sophiensaelen stehen können wie dieser, dann gibt es noch viel zu tun. Kritik kann sich eben nicht darin erschöpfen, über die Körper von Performer*innen schwärmend oder abfällig zu schreiben, wie es bis heute immer wieder in großer Selbstverständlichkeit geschieht. Damit diskreditiert sie sich vielmehr selbst. Kritik sollte qualifiziert zu den Ästhetiken und Inhalten auf der Bühne Stellung nehmen und den durch Künstler*innen begonnenen Diskurs fortführen, ob der Abend gefiel oder nicht. Ansonsten wiederholt sich die Spirale aus Galanterie und Verachtung, aus Sexismus und Verdinglichung, die Melanie Jame Wolf in ihren Arbeiten kritisch befragt. Genau das hat die Kritikerin nicht im Blick, wenn sie von der eigenen Verliebtheit schreibt, die sie ganz offensichtlich betriebsblind gemacht hat. Auch die Souveränität der Kritikerin ist eine machtvolle Fiktion mit Folgen.