Von Tove Tovesson

Seit es die Serie „Transparent“ gibt, gibt es  unter anderem Kritik an der Besetzung der weiblichen Hauptrolle mit Jeffrey Tambor, einem Mann. Ich habe die Serie nicht gesehen, da ich mich dieser Kritik voll anschließe. Bevor ich diesen Text schreibe, schaute ich mir allerdings einige Trailer und Ausschnitte mit durchweg dementorenhafter Wirkung an. Sie saugten mir das Glück aus.

Die Rechnung geht leider nicht auf: Ein cis Mann mit Perücke ist nicht gleich trans Frau. © Tine Fetz

Es geht offenbar viel um die Gefühle der Familie der trans weiblichen Hauptfigur (wie im wahren Leben!), um die Reproduktion von Alltagstransfrauenfeindlichkeit (wie im wahren Leben!) und das zusammenschweißende Lachen über die offensichtliche Lächerlichkeit von Transness (wie im wahren Leben!). Eigentlich wie im wahren Leben, wenn man selbst keine trans Frau ist, und wieso sollte es um diese Perspektive in einer Serie über eine trans Frau schon gehen?

Es wurde hinreichend diskutiert, aber noch mal: Warum sollten Männer keine trans Frauenfiguren spielen? Weil trans Frauen Frauen sind. Weil es trans Schauspielerinnen gibt. Weil die Idee, dass trans Frauen Männer in Frauenkleidern sind, zutiefst transmisogyn ist und Gewalt gegen reale trans Frauen speist. Weil schauspielerische Verkleidung 1:1 der cis-sexistische Vorwurf gegenüber trans Personen, insbesondere trans Frauen ist, und sich – slippery slope – von dieser vermeintlichen Täuschung zu Perversion zu Devianz gehangelt wird.

Mit den aktuellen Belästigungsvorwürfen von Van Barnes und Trace Lysette gegen Tambor trägt die Fehlentscheidung für einen männlichen Darsteller ihre grotesken Früchte: Der Mann, der eine trans Frau spielt, ist selbst Täter. Die Opfer sind zwei trans Frauen.

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In der #metoo-Konversation stehen sie nicht nur einer Masse gegenüber, die strukturelle Gründe für epidemische sexualisierte Gewalt vehement abstreitet, sondern auch transfrauenfeindlichen pseudofeministischen Verstümmelungsfantasien gegen vermeintliche Männerkörper sowie der generellen Unsichtbarmachung von trans Frauen als überhaupt mögliche Betroffene von sexualisierter Gewalt.

Tambors Statement zu den Vorwürfen liest sich mit ein wenig Sensibilisierung nicht nur wie jede andere Nopology eines Beschuldigten, sondern wie transfrauenfeindliches Dog-whistling:

„Es tut mir leid, falls irgendein Verhalten von mir je von irgendwem als sexuell aggressiv fehlinterpretiert wurde oder falls ich je jemanden angegriffen oder verletzt haben sollte. Fakt ist jedoch, dass ich, bei all meinen Fehlern, kein predator bin. (….) Die Idee, dass ich absichtlich jemanden belästigen würde, ist einfach absolut unwahr. Angesichts der politisierten Atmosphäre, die unser Set befallen zu haben scheint, weiß ich nicht, wie ich zu Transparent zurückkehren könnte.“ (Übersetzung von mir, Quelle)

Verstehe, verstehe. „Fakt ist jedoch, dass ich, bei all meinen Fehlern, nicht das bin, was man trans Frauen unterstellt, denn ich bin ja, bei all meinen Fehlern, keine trans Frau.“ Natürlich, man muss ja die Rolle vom Schauspieler trennen können und das „Verhalten“ fand doch am Set statt … „Dass ich absichtlich jemanden belästigen würde, ist unwahr, ich wurde, wenn überhaupt, dazu gezwungen.“ Oh, Tambor ist hier das Opfer und überhaupt hat ein Fehlverhalten nur Konsequenzen, wenn es Absicht war. „Die political correctness, die wie ein dunkler Hexenfluch etc. pp. Wie soll ich jemals heimkehren?“ Der arme Mann wurde quasi vertrieben!

Da sich in diesem Fall in mindestens fünf Dimensionen die Täter-Opfer-Umkehr-Kreise schließen, hoffe ich, dass auch dies wahr wird: Belästigungsvorwürfe zerstören Karrieren und Opfer werden reich und berühmt.