Von Lene Glinsky

Spätestens seit dem Aufstieg des Selfies zu einer Kunstform finden auch immer mehr Nacktbilder den Einzug in unsere Timelines und Instagram-Feeds. Denkt man beim klassischen Nacktbild erst mal an den männlichen Blick, Strohballen oder Ölgemälde aus der Renaissance, wird diese neue Form eher selten von weißen cis Männern inszeniert und produziert.

©Lisa Zappe

Heute werden wir beim Teilen von Nacktbildern – im Netz meist mit dem englischen Begriff „nudes“ benannt – zu unseren eigenen Künstler*innen. Die selbstbestimmte Ablichtung nackter Körper ist in einer Welt, in der sogar Bratwürstchen mit übersexualisierten, retuschierten Körpern beworben werden, wichtig und ermächtigend. Unbearbeitete Fotos sind eine heilsame Erinnerung daran, dass kaum eine Person den perfekten Photoshop-Körper hat.

Aber genau das scheint Instagram, Facebook und Co. nicht ins Bild zu passen: Die Sittenpolizei der Netzwerke löscht fleißig, was sie als vermeintlich sexuell oder anstößig empfindet. Bis vor Kurzem fielen darunter sogar stillende Mütter und Brustkrebskampagnen. Man möchte die Mitglieder vor sexuellen Inhalten schützen, aber gerade durch das Sperren sexualisiert man weiblich gelesene Brüste – und befördert durch die Aufteilung in „männliche“ und „weibliche“ Brustwarzen die starre Zweigeschlechtlichkeit. Aber natürlich greift der heuchlerische „Nutzer*innenschutz“ weder bei sexistischer Werbung noch bei diskriminierenden Posts.

Das strenge Diktum der Plattformen hat seither einige Kontroversen produziert. So sperrte Facebook etwa letztes Jahr ein Video, weil darin oberkörperfreie Demonstrant*innen zu sehen waren, die gegen (sic!) Sexismus protestierten. Die Fotografin Arvida Byström hat Bilder, die von dieser Art der Zensur betroffen waren, in ihrem Buch „Pics or it didn‘t happen“ gesammelt.

Immerhin inspiriert die Zensurpolitik Nippelrebell*innen zu kreativen Protesten. Der Account genderless_nipples etwa flutet Instagram mit geschlechtsneutralen Brustwarzen-Close-ups. Tipp: Verwandle dein nächstes Nacktbild doch einfach in ein Renaissancegemälde. Sobald ein Nacktbild als Kunstwerk gilt, verstößt es nicht gegen die Richtlinien. Damit kann den utopischen Schönheitsidealen, die uns Gesellschaft und Medien vorgaukeln, zumindest ein bisschen Einhalt geboten werden.

Der Text erschien zuerst in Missy 06/17.