Von Nadine Schildhauer

Zwischen weißen Wänden, durchsichtigen Wodka Tonics, auf schwarzem Boden, in dämmrigem Licht stellt die in Berlin lebende Produzentin und DJ Bao-Tran Tran alias Mobilegirl ihre Debüt-EP „Poise“ vor. Im Studio space_31 der befreundeten Designerin Nhu Duong, die das Sweatshirt zur EP designt hat, wippt der gefüllte Raum im Takt.

Mobilegirl gehört zum schwedischen Labelkollektiv Staycore und schaffte durch ihre DJ-Mixe aus R’n’B und Pop-Bangern, die Samples von Drake, Rihanna und Britney mit Tresillo-Rhythmen kombinieren, eine bassdurchtränkte Soundlandschaft, die durch Brüche überrascht, aber nie aufhört, tanzbar zu sein. 2016 fand ihr erstes Boiler-Room-Set statt, das ihr zum Durchbruch verholfen hat.

© Niclas Hille

„Die eine Sache, die sich durch all meine Sets zieht, ist der Spannungsbogen, der wie ein Narrativ funktioniert, und das mit verschiedenen Tracks, die nicht unbedingt zusammenhängen. Für mich ist es sehr wichtig, dass es durcheinander ist, Genres sind irrelevant“, erzählt Tran. Ihre eigenen Produktionen verfolgen zwar auch einen dramaturgischen Bogen, allerdings gibt die EP eine neue, emotionalere Richtung vor.

„Poise“ bedeutet übersetzt so viel wie „Haltung“. Tran erklärt: „Am Anfang war ich mir unsicher, welche Richtung ich einschlagen soll. Als DJ war ich für einen bestimmten Sound bekannt, der aber beim Produzieren nicht gepasst hat. Es ging mir darum, musikalisch Haltung zu zeigen, indem ich aus den bereits vorhandenen Kategorien ausbreche.“ Für „Poise“ nimmt Mobilegirl etwas an Tempo und Genre-Eklektizismus zurück und kocht ihren Sound auf atmosphärische Melodien runter, die kaum Drums benötigen. So fließen Wasser-, Vogel- und andere elektronische Samples auf melancholische Weise ineinander, bilden einen organisch-synthetischen Sound. Der artifizielle Wald auf dem Cover stimmt auf die Klanglandschaft ein: „Als musikalisches Vorbild haben 90s-Adventure-Videospiele gedient. Jeder Bereich und jede Welt hat dort einen anderen Theme-Song. Mir ist bei den Soundtracks erst später aufgefallen, dass es oft ein Motiv gibt, das sich das ganze Spiel hindurch wiederholt. Wahrscheinlich habe ich unbewusst die Tracks strukturell und technisch daran angelehnt.“

Die in sich geschlossene EP soll am Stück gehört werden: „Man fängt mit dem Intro ‚Forest Coloss‘ an. Der Track schafft Weite, dann wird es komischer, lauter und schneller. Mit den letzten Songs fällt die Spannung komplett ab. Alle Songs sollen ineinander übergehen.“ Dieser Spannungsbogen erzeugt Kohärenz und einen undefiniert warmen Raum: „Ich habe eine Welt kreiert, in der ich mich wohlfühle. Es soll keine musikalische Explosion sein. Diese Art von Musik hat mich einfach beruhigt. Das war schon fast wie Therapie. Das ist der Key zu den Liedern“, erklärt Mobilegirl.

Als Mitglied von Discwoman – einem DJ-Kollektiv, das unterrepräsentierte female DJs sichtbar machen möchte – sieht sich Mobilegirl in der Pflicht, Position zu beziehen: „Das muss nicht explizit sein, aber man muss vor allem im Handeln einen Moralcode verfolgen und respektvoll sein. Es kommen sehr viele Ostasiatinnen zu mir, die mich wegen meiner vietnamesischen Herkunft als Repräsentantin sehen und sich dafür bedanken, jemanden hinter dem Pult zu sehen, zu dem sie mehr Bezug haben. Diese Art von Feedback gibt mir richtig viel. Zu wissen, es beeinflusst tatsächlich Leute und verbessert in irgendeiner Weise deren Leben. Gleichzeitig entsteht dadurch Verantwortung. Das finde ich schon heavy, auf eine gute Art.“