Von Isa Wreither

Als ich noch hetero lebte und mit Typen befreundet war, dachten viele Unbeteiligte, eigentlich stünde ich in Wirklichkeit so richtig auf meine Kumpel. Aber wer steht schon in Wirklichkeit so richtig auf Typen, lol? Der Sex in heterosexuellen Freund*innschaften füllt als Pointe oder Plot-„Twist“ ganze Bücher, Filme und Serien. Beziehungen zwischen Männern und Frauen werden immer sexualisiert. Als heute queer lebende Person erlebe ich es ganz anders: Fast alle Freund*innenschaften werden von außen als platonisch gelesen und fast immer finde ich in Wirklichkeit den*die Freund*in ziemlich heiß.

© Anna Beil

Freund*innenschaften sind für mich die wichtigsten Beziehungen. In sie investiere ich den größten Teil meiner Ressourcen wie Zeit, Energie und auch Geld, weil sie beständiger sind als die meisten Liebesbeziehungen. Sie können aufgrund von Faktoren wie Hingabe und körperlicher – jedoch vorwiegend asexueller – Nähe auch etwas Romantisches beinhalten. Deshalb fällt es mir oft schwer zu benennen, was für mich der Unterschied zwischen platonischen und romantischen Beziehungen ist. Sex kann es für mich in beiden geben.

Das heißt nicht automatisch, dass ich Freund*innen durch einen sexualisierten Blick betrachte – besonders dann nicht, wenn wir platonisch intime Momente wie gemeinsames Baden, sich voreinander umziehen oder miteinander kuscheln teilen. Ich würde dieses Vertrauen nicht durch einen anzüglichen Kommentar zerstören wollen. Nur weil ich mir vorstellen kann, mit einer*einem Freund*in zu schlafen, heißt es nicht, dass ich der Person davon erzähle oder es gar umsetzen würde. Gefühle sind oft vergänglich, deshalb warte ich erst mal ab. Menschen sind keine triebgesteuerten Wesen, die ihren Emotionen und Bedürfnissen ausgeliefert sind. Sie haben die Fähigkeit, strategische Entscheidungen zu treffen. Andererseits kann es auch ins Gegenteil kippen, aus einem kleinen Crush, der unterdrückt wird, könnten große Gefühle entstehen, die dann zwischen mir und der anderen Person stehen.

Die Angst vor Veränderung hindert viele daran, ihre Gefühle zu thematisieren. Die Beziehung könnte verkrampft oder auch viel intensiver werden – oder enden. Ich will nicht, dass die Person denkt, ich sei nur wegen der Aussicht auf Sex ihr gegenüber aufmerksam und engagiert gewesen.

„Don’t shit where you eat“ heißt es, wenn einer*einem davon
abgeraten wird, mit Freund*in-nen zu schlafen. Aber warum muss Sex als etwas Schmutziges und Negatives gelten? Warum muss sexuelle Intimität mit Verantwortungslosigkeit zusammenhängen? Es gibt viele Vorteile: Vertrauen, Respekt, emotionale Nähe und kein Druck, dass eine Liebesbeziehung entstehen muss.

Wenn Rumknutschen oder Sex eine Freund*innenschaft von mir negativ beeinflusst hat, lag es meistens nicht am Austausch der Körperflüssigkeiten, sondern daran, dass man nicht ehrlich zueinander war und Gefühle wie Angst, Liebe oder Eifersucht nicht offen kommuniziert hat. Einmal hatte ich mit einer Freundin die Absprache, dass wir immer nach dem Sex miteinande…