Von Hengameh Yaghoobifarah

Warum hast du 2016 den Hashtag #beHindernisse gestartet?
Die Idee, den Hashtag zu starten, kam durch einen Twitter-Austausch auf. Ich schrieb eine Tweet-Kette darüber, wieso sich die Bezeichnung „Mensch mit Behinderung“ für mich nicht stimmig anfühlt. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass die Begriffe „identity-first language“ und „people-first language“ existieren. Ich wusste aber, dass „Mensch mit Behinderung“ im Gegensatz zu „beHinderter Mensch“ für mich so klingt, als wäre die Behinderung MEIN Ding, MEIN Problem, etwas, mit dem ich mich alleine auseinandersetzen muss, und ich wusste, dass mich das stört. Aus den Tweets, die ich dazu schrieb, entstand ein Gespräch über beHinderndes Verhalten und ich fragte mich, wie viele Dinge Menschen wohl schon allein deswegen vermeiden, weil sie sich dadurch behindertenfeindlichen Reaktionen und Situationen entziehen können. So kam ich auf die Idee, den Hashtag zu starten.

Initiator*in Ash ©_Fl_ash
Wie ist er entstanden?
Nachdem klar war, dass ein entsprechender Hashtag noch nicht existiert, tauschte ich mich mit einigen Menschen auf Twitter über mögliche griffige Hashtag-Beschreibungen aus. @FluffyMonoceros schlug schließlich #beHindernisse vor.
Und wie ging es weiter?
Der Hashtag trendete sehr schnell und an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen – das war einerseits schön, weil so viele Leute ihre Erfahrungen teilten, aber gleichzeitig zeigte sich dadurch auch, wie unglaublich viel in Richtung Barrierenabbau und Bewusstsein für Barrieren noch in allen Lebensbereichen passieren muss.
Nachdem der Hashtag so rege genutzt wurde, teilte ich die Tweets in unterschiedliche Kategorien auf, um diese unterschiedlichen Bereiche möglichst gut sichtbar zu machen.
Auch jetzt, zwei Jahre später, wird der Hashtag noch regelmäßig genutzt.
©yori_gagarim
Wie war die Resonanz in queeren und feministischen Kontexten?
In der queerfeministischen Twitter-Blase verbreitete der Hashtag sich recht schnell – viele von Behindertenfeindlichkeit betroffene Menschen haben ihre Erlebnisse geteilt. Leute, die nicht selbst betroffen sind, haben auch auf den Hashtag hingewiesen und teilweise darüber geschrieben, was sie in Bezug auf sich und ihre eigene Behindertenfeindlichkeit oder falsche Vorstellungen von Behinderung_en lernen konnten.  Leider wird Behinderung auch von Feminist*innen, die ihren Blickwinkel als intersektional betrachten, noch zu häufig vergessen, wenn es um mögliche Unterdrückungsebenen geht.
©hrmpfm
Was können wir tun, um queere, feministische Räume – on- und offline  – inklusiver zu gestalten?
Ich finde es sehr wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass verschiedene Menschen unterschiedliche Anpassungen benötigen. Auch in queerfeministischen Kreisen gehen viel zu viele Leute davon aus, dass ein Raum barrierefrei ist, wenn Rollstuhlfahrer*innen ihn nutzen können – wenn überhaupt an Barrieren gedacht wird.
Dass auch schwer verständliche Sprache, Zigarettenrauch, Drogen- und Alkoholkonsum, enge Gänge, flackerndes Licht, spiegelnde Bodenbeläge und vieles mehr Barrieren darstellen (können), wird häufig außer Acht gelassen.
Auch daran, behindertenfeindliche Begriffe zu vermeiden, könnte aus meiner Sicht mehr gearbeitet werden. Gerade Queers, die oft aufgrund ihres Seins Pathologisierung erfahren (haben), versuchen häufig, sich durch die Reproduktion ableistischer Strukturen von kranken_beHinderten Menschen abzugrenzen, anstatt diese Strukturen selbst anzugreifen.
Da wünsche ich mir mehr Achtsamkeit.
©romluras
Auch Aussagen wie „Das ist viel zu viel, das kann doch kein Mensch alles beachten!“ begegnen mir in Bezug auf Behinderung und Barrierenabbau häufiger. Es passiert genau das, was auch außerhalb queerfeministischer Räume passiert: Im Zweifel sind die Bedürfnisse beHinderter Menschen eben doch (vielen) zu viel, um sich darüber Gedanken zu machen.
Ich möchte gern, dass sich das ändert, und wünsche mir mehr Bereitschaft dazu, Barrieren zu sehen und zu vermeiden. Eine Bildbeschreibung zu formulieren oder einen Text noch mal zu lesen und darüber nachzudenken, ob Wörter erklärt werden sollten, sind Dinge, die die meisten Menschen tun können.
Es muss nicht immer alles auf einmal sein und natürlich kann kein Mensch alles wissen – aber schon die bloße Bereitschaft, auf Bedürfnisse von Menschen bestmöglich einzugehen, trägt zu einem weniger behindertenfeindlichen Klima bei.