Von Christian Schmacht

Skyler und ich wollen uns als Prostituierte anmelden. Es ist der letzte mögliche Tag im Jahr 2017. Ohne Anmeldung darf ich am 01.01.2018 nicht arbeiten. Ich will wieder im Bordell ackern, dort lässt sich die Anmeldung nicht umgehen. Wir werden von Pforte zu Pforte und von Amt zu Amt geschickt, an diesem Vormittag sage ich wohl fünf Mal den Satz „Hallo, wir wollen uns als Prostituierte anmelden“ in mir unbekannte Gesichter. Wir betreten ein Büro, füllen aus, was wir ausfüllen müssen.

Auf Fragen kann der Sachbearbeiter nicht richtig antworten. „Ich habe mehrere Arbeitsnamen. Hier steht aber: Tragen Sie Ihr Alias ein. Wie viele kann ich angeben?“ Er fällt aus allen Wolken. Wie kann es nur sein, dass ich nicht überall den gleichen Namen habe. Ich erkläre ihm geduldig alles. Er lacht ungläubig. Er sagt: „Sie müssen sich für einen Namen entscheiden.“ Ich: „Was, wenn ich von der Polizei angetroffen werde unter dem Namen A, aber in meinem Ausweis steht der Name B?“ Er sagt: „Dann haben Sie ein Problem.“ Oh mann. Ich bin nicht hier hergekommen, um mit mehr Problemen rauszugehen, als ich reingekommen bin. Schreibe fünf Arbeitsnamen auf, einfach aus Prinzip, einer davon Alice Schwarzer.

Skyler sagt: „Können Sie gewährleisten, dass unsere Daten diskret verarbeitet werden, sodass wir nicht erpressbar sind?“ Der Sachbearbeiter lacht. Er lacht viel, er scheint fröhlich zu sein. Er sagt: „Ach was, wenn ich Sie erpressen wollte, das geht ganz einfach. Dann warte ich vor Ihrem Bordell, bis Sie abends rauskommen, und fahre Ihnen hinterher, bis Sie zu Hause ankommen, und ich weiß, wo Sie wohnen. Dafür brauch ich Ihre Daten nicht.“

Wieso sagen Männer uns immer gleich, was sie alles mit uns machen könnten, wenn sie es nur wollten? Und wieso widerlegt ein Sachbearbeiter mit seiner nonchalanten Drohung die Sinnhaftigkeit des Gesetzes, für dessen Durchführung er uns gleichzeitig zu gängeln versucht? Wir erinnern uns, es nennt sich Prostituiertenschutzgesetz, es soll uns vor Zuhältern und Menschenhändlern schützen. Der Sachbearbeiter denkt nicht, dass irgendjemand uns vor ihm schützen kann. Aber dennoch tut er seinen Job. Deutschland, deine Sachbearbeiter*innen.

Skyler und ich wollen weitere Fragen stellen, weil wir seine Stalker-Antwort nicht richtig fassen können, aber es hat sich zu uns eine dritte Person hinzugesellt. Ein random Typ mit Freiergesicht lungert auf der Türschwelle des Ordnungsamt-Büros. Er sagt: „Jetzt wird hier nicht diskutiert.“ – wie ein Bulle oder ein mieser Lehrer, dem die Argumente ausgegangen sind. Ich sage: „Wer sind Sie überhaupt und warum mischen Sie sich ein?“ Er sagt irgendwas, ich kann nicht zuhören, denn es fällt mir schwer, Männern zuzuhören, wenn sie keine passable Summe nennen, die unser Gespräch mit Sinn erfüllen und erträglich machen würde.

Wir werden auf den Flur geschickt, machen Witze über die beiden Ordnungsbeamten Herr Stalker und Herr Freier und warten auf unseren Wisch. Der Stalker-Beamte kommt raus und gibt uns je einen Zettel, auf dem steht, dass wir versucht haben, uns als Prostituierte anzumelden. Alles in allem ist dieser Behördengang so erniedrigend, wie diese Gänge meistens sind. Wenn wir uns Auge in Auge mit der Bürokratie als Menschen fühlen, ist das Zufall, denn Ämter sind dafür geschaffen, dass wir uns dort um unsere Menschenrechte bewerben müssen; das bringt Idil Baydar als Jilet Ayse so schön und wütend auf den Punkt. Sexarbeit und Bürokratie sind schon länger miteinander vertraut, aber selten hat uns diese Beziehung Vorteile eingebracht.