Von Anna Opel

Zeitenwende an der Volksbühne: „Women in Trouble“ und „Die Selbstmord-Schwestern“ stehen auf dem Spielplan. Weil sie eine Frau ist, hätte die eigenwillige Regisseurin Susanne Kennedy unter Frank Castorfs Intendanz nie auf der großen Bühne proben können.
Schon gar nicht ihr eigenes Stück. Das war ein unausgesprochener kategorischer Imperativ an der Volksbühne.

Im Unterschied zu seiner heiß geliebten Kunst wird das patriarchale Regiment des Großkünstlers Castorf in Zukunft nicht fehlen. Oder ist das naiv gedacht und totale Kunst eben nur unter der Allmacht eines Patriarchen denkbar, der mit politischer Correctness grundsätzlich nichts am Hut hat? Regisseure wie Christoph Marthaler und René Pollesch haben an der Volksbühne wegweisende Theatersprachen entwickelt. Furiose Schauspielerinnen wie Sophie Rois und Lilith Stangenberg haben weibliche Rollen stark und farbenfroh interpretiert. Was fehlte, waren Welten und Figuren, die von Frauen erfunden waren.

Doch geht das nicht auch anders? Im Windschatten der Sexismusdebatte ist der Moment günstig, das Machtgefälle zwi­schen den Geschlechtern in den Institutionen der Kunst in den Blick zu nehmen. Es wird Zeit, dass sich sonst so bescheidwisserische Theater­leiter wie Matthias Lilienthal, Thomas Ostermeier und ihre 161 Kollegen dem Widerspruch stellen, dass sie ihre subven­tionierte Systemkritik und ihre künstlerischen Entwürfe aus einem Feudalsystem heraus formulieren, das schon dadurch fragwürdig ist, dass es von einer homogenen Gruppe weißer Männer beherrscht wird, die ihre Macht verteidigen.

Susanne Kennedy © Franziska Sinn

Die von Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters in Auftrag gegebene Studie „Frauen in Kultur und Medien“ belegte im Jahr 2016 mit Zahlen, was Regisseurinnen und Autorinnen ständig erleben: Führungspositionen, Theater­leitung und Inszenierungen auf großen Bühnen liegen zu achtzig Prozent in Männerhand. Intendantinnen großer Häu­ser wie Karin Beier am Schau­spielhaus Hamburg, Barbara Frey am Schauspielhaus Zürich und Shermin Langoff am Maxim Gorki Theater in Berlin sind absolute Ausnahmen. Frauen dürfen in der Regel soufflieren und assistieren oder in der Studiobühne inszenieren.

Etwas, das sie mit „den Ossis“ verbindet. Denn die waren und sind zwar in der männlichen Variante in der Theaterwelt vertreten (siehe Heiner Müller, Frank Castorf oder Einar Schleef), in den übrigen Eliten der Gesellschaft jedoch kaum, wie eine neue Studie der Deutschen Gesellschaft e. V. belegt. Geeignete Persönlichkeiten gibt es, sie werden nur systematisch wenig berücksichtigt. Und das vielleicht nicht mal mit Absicht. Es passiert einfach. Weil Berufungskommissionen nicht paritätisch besetzt sind, weil Macht instinktiv verteidigt wird. Da lässt man ungern Leute ran, die nach anderen Regeln spielen.

Die Neue in Chris Dercons Team, Susanne Kennedy, hat innerhalb kurzer Zeit eine kometenhafte Karriere hingelegt. 2013 fiel sie mit einer provozierend installativen Inszenierung von „Fegefeuer in Ingolstadt“ an den Münchner Kammerspielen auf, die prompt zum Theatertreffen, der Bestenschau der deutschen Theaterlandschaft, geladen wurde. Chris Dercon holte sie in sein Leitungsteam an die Volksbühne. In der Zwis…