Von Tove Tovesson

Nur für den Fall, dass es zwischen ironisch verunglücktem Reclaiming von rechten Erklärungen (#Entstörung2018) und bagatellisierenden MAGA-Slogans noch an einer linken Erklärung fehlte, auf die die liberale Mehrheitsgesellschaft nur gewartet hat, weil sie ihren positiven Bezug auf unser herrliches Superdeutschland doch gar nicht so ernst meint, und da es Rechte und ihre liberalen Friends leider nicht nur auf Buchmessen gibt, hier ein paar Worte:

Süße Katzen statt Nazis. © Tine Fetz

Rechte sind nicht erst dann oder dadurch ein Problem, wenn sie die öffentliche Ordnung stören, sondern wenn und weil sie rechts sind. Öffentliche Ordnung ist ein Fetisch der Mitte und der Macht, sie ist nicht gleichbedeutend mit Gerechtigkeit oder Frieden. Öffentliche Ordnung macht im Zweifelsfall Ungerechtigkeit unsichtbar, statt sie zu bekämpfen. Ungerechtigkeit ist der Status quo. Dass viele Menschen das Privileg haben, das mit Frieden zu verwechseln, ist Teil des Problems. Öffentliche Ordnung sagt, dieser Nazi hat doch gar nichts gemacht, er ist doch bloß öffentlich Nazi. Öffentliche Ordnung stellt Gegengewalt als unprovozierten Krawall dar, während das staatliche Gewaltmonopol sich innen schützend vor AfD, Pegida, Identitäre und Co. stellt, und außen Grenzen aufrechterhält, an denen Menschen sterben.

Sogenannter friedlicher Protest gegen Rechte oder gar die friedliche Koexistenz mit Rechten ist ein Euphemismus für unterlassene Hilfeleistung, denn rechte Ideologie ist eine Gewaltfantasie, die in der Untätigkeit der Nichtbetroffenen Wirklichkeit wird. Es gibt keinen Kompromiss mit Rechten, weil die Verhandlung mit Rechten die Punkte, die sie verhandeln wollen, als verhandelbar anerkennt: das Leben und die Würde anderer. Deshalb besteht auch keine – gern von Liberalen beschworene – Gefahr, „genauso schlimm wie Nazis“ zu sein, wenn man sich kompromisslos gegen sie wendet. Gegengewalt gegen rechts ist, der Begriff verrät es schon ein bisschen, tatsächlich nicht das Gleiche wie, sondern das Gegenteil von rechter Gewalt und damit moralisch unbedenklich, versprochen.

In einer Welt frei von systemischer Ungerechtigkeit (Rassismus und so) würde ich mich vermutlich nicht dafür aussprechen, einen anderen Menschen auf der Buchmesse umzuboxen, aber in dieser Welt treten Rechte nicht auf. Sie sitzen siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und der systematischen Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen_Juden, Behinderten, Rom*nija und Sinti*za, Homosexueller, politischer Gegner*innen und mehr durch Nazis (nicht erneut, sondern immer noch) im Bundestag, in Talkshows, in Redaktionen, Verlagen, Schulen, Ämtern usw. und kämpfen wacker dafür, dass Refugees sterben, Muslim*innen sich hier nicht sicher fühlen können, Gewalt gegen Menschen of Color noch ein kleines bisschen egaler und Antisemitismus wieder salonfähiger Common Sense wird, Arme arm bleiben, LSBTI+ Menschen Gewalt und Bevormundung erleben, die Reproduktionsrechte von trans Frauen, cis Frauen und Menschen mit weiblicher Geburtsgeschlechtszuschreibung verhandelbar bleiben, behinderte Menschen bevormundet und schikaniert werden, Gewalt gegen Frauen nationalistisch verteidigt wird … die Liste an Wohltaten ist lang, der Übergang zu dem, was sich konservativ nennt, fließend.

Dabei könnte es wirklich ganz friedlich ablaufen: Ganz friedlich könnten Rechte einfach gar nicht erst überallhin eingeladen, hofiert und als legitimer Teil der Gesellschaft behandelt, sondern als das, was sie sind, samt ihrer Inhalte geächtet werden: menschenverachtender Abfall. Daraus machen Rechte selbst gar keinen Hehl, umso grotesker ist es, wie viel Aufwand der Rest der Gesellschaft betreibt, um ihnen nicht in die Quere zu kommen. Es gibt keine Inhalte von Rechten zurückzuerobern, nichts zu reclaimen oder mit ihnen zu diskutieren. Es gibt bei Rechten nichts zu holen, außer den Raum, den sie einnehmen, und die Luft, die sie atmen. Bitte, greift zu.