Von Hengameh Yaghoobifarah

The whites are at it again: Anstatt das neue Heimatministerium komplett in Trümmer zu zerschlagen, wie es sich für waschechte Feminist*innen gehören sollte, führen weiße deutsche Feminist*innen zur Zertrümmerung meiner Nerven. Diese Woche stellte Horst Seehofer das Bundesministerium des Innern, Heimat und Bau vollständig zusammen. Dass der Mann, der Statements wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ (2018) oder „Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren – bis zur letzten Patrone“ (2011) raushaut, ausschließlich weiße Typen in sein Ministerium packt, scheint für mindestens 22.500 (Stand 29.03.2018) Leute ein Schock zu sein. Als ob die Politiken des CSU-Chefs so eine große Überraschung wären.

© Missy Magazine/Eva Feuchter

Geärgert hat sich etwa die Grünen-Politikerin Hannah Neumann. Als eine der Ersten twitterte sich über die mangelnde Diversität im BMI. Damit war sie nicht die Einzige, ein regelrechter Shitstorm brach über Horst und seine Jungs aus. Daraufhin wechselten sie das Foto des Boys‘ Clubs in der Pressemitteilung durch das eines Gebäudes aus. Mittlerweile schmückt die Seite wieder das Gruppenfoto der fragilen Maskulinität.

„Nicht meine Heimat!“, schreibt Neumann also und ich frage mich, wann dieser Versuch, den Heimatbegriff links oder irgendwie progressiv zu besetzen, endlich aufhört. Das letzte Mal, als Linke rechte Diskurse vereinnahmen wollten, führte es dazu, dass sie die gleichen Positionen mit einem alternativen Anstrich vertraten. Das Problem ist nicht, dass „Heimat“ nur von weißen Männern repräsentiert wird, sondern, dass wir uns überhaupt über den Begriff und seine Bedeutung unterhalten müssen. Auf der Agenda des Ministeriums sind rassistische, völkische und extrem rückständige Vorhaben zu erwarten, Begriffe wie „Leitkultur“, „Assimilation“ und „Integration“ werden fallen. Daran wird auch keine Frau etwas ändern. In der AfD gibt es einen trans Kommunalpolitiker und eine lesbische Fraktionsvorsitzende. Das hindert die Partei nicht an ihren homofeindlichen, sexistischen und familistischen Politiken. Die Bundeskanzlerin ist eine Frau – und weder feministisch, noch anderweitig progressiv. Und Sahra Wagenknecht auch. Nicht mal eine weiße Frau. Trotzdem macht sie Stimmung gegen Geflüchtete.

In unserer Kolumne Missyverse bloggt die Redaktion des Missy Magazines, immer im Wechsel. Ab sofort, jeden Freitag.

Diese Hinweise sind keine Breaking News und trotzdem investieren selbst ernannte Feminist*innen Ressourcen darin, eine Petition zu veröffentlichen, um eine Frauenquote im Heimatminsterium zu fordern. Feminismus mit nationalistischem Anstrich ist ebenfalls nicht neu, aber lohnt es sich wirklich, für ihn zu kämpfen?

„Am wichtigsten“, so steht es in der Petition unter den Argumenten, sei folgendes No-go von Horst Seehofer: „Sie senden ein fatales Signal an alle Mädchen, Frauen* und Menschen mit internationalen Wurzeln in diesem Land. Nämlich, dass sie nicht dazugehören.“ Ich sag es einfach mal, wie es ist: Ob Menschen mit internationalen Wurzeln (allein schon diese Formulierung, sie sind doch keine Bäume) von weißen Männern oder weißen Frauen oder meinetwegen nicht-binären Menschen of Color abgeschoben werden, ist ihnen scheißegal.

Eine rassistische Institution zu diversifizieren schafft diese nicht ab, sondern legitimiert sie dadurch, dass „ja auch alle mitmachen dürfen“. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine stark verkürzte und in eine Sackgasse führende Identitätspolitik, sondern um den liberalsten Müll, den ich seit Langem gelesen habe. Vielfalt in Institutionen wie dieser – oder auch bei der Polizei – sind wertlos, weil diese Systeme nicht reformiert, sondern abgeschafft gehören.

Hengameh Yaghoobifarah ist seit Ende 2014 Redakteur*in bei Missy, Doppel-Skorpion und Critical-Whiteness-Modeblogger*in.

Als ich am Mittwoch für die „taz“ einen satirischen Artikel über diese Debatte schrieb, wusste ich nicht, dass es tatsächlich eine Petition mit so vielen Unterschriften geben wird. Horst Seehofer wird aufgefordert, „Frauen an Bord“ zu holen oder zurückzutreten. Ich frage mich ernsthaft, welche Frauen aus CDU/CSU und SPD so radikal sein könnten, um das Ministerium politisch umzulenken. Oder ob es sich, wie so oft, um eine leere Symbolik handelt, von der höchstens weiße Feminist*innen etwas haben: nämlich ein gutes Gewissen.