Von Stefanie Lohaus

Zürich, Rauischholzhausen, Berlin, Münster, Schwäbisch Hall, Würzburg, Kiel, Mühlheim an der Ruhr, Halle, Frankfurt, Wuppertal, Hannover, Berlin, Freiburg, München, Köln. Das ist nur eine kleine Auswahl der über sechzig Orte im deutschsprachigen Raum, die Magda Albrecht in den letzten Jahren bereist hat. In denen sie Vorträge hielt und Workshops gab. Sich auf Podien mit Ernährungsexpert*innen stritt. Denn es geht ihr um eine Kritik an einer der selbstverständlichen Grundannahmen in unserer Gesellschaft: dass Fettsein per se schädlich und Dünnsein per se gesund sei. Es geht um Fat Shaming, um die Diskriminierung von dicken Menschen, darum, was diese Diskriminierung mit unserer Gesellschaft zu tun hat und wie sie auf die Betroffenen, insbesondere auf Frauen, wirkt. Als Albrecht ihren Vortrag mit dem Titel „(Mein) Fett ist politisch“ 2013 zum ersten Mal hielt, ahnte sie noch nicht, wie nachgefragt das Thema einmal sein würde. Und nun, knapp fünf Jahre später, hat sie ein Buch darüber geschrieben: „Fa(t)shionista“ heißt es und erscheint in diesen Tagen im Ullstein Verlag. Der Traum eine*r jeden Blogger*in – auch Albrechts Traum – wurde Wirklichkeit, weil sie eines Tages von einer Agentin angeschrieben wurde, mit der sie ein Exposé entwickelte.

Autorin und Bloggerin Magda Albrecht. ©Jannike Stelli

Magda Albrecht erzählt mir die Geschichte ihres Buches in ihrer Wohnung, einer hellen, aufgeräumten Zweier-WG in Berlin. Sorgfältig aufgehängte Plakate mit feministischen Forderungen im Eingangsbereich stimmen darauf ein, welches Bewusstsein durch die Räume weht. Wie immer, wenn ich sie treffe, trägt Magda eines ihrer schicken, gemusterten Kleider. Heute: schwarz mit weißen Lilien.

Wir kennen uns von feministischen Veranstaltungen, Podien und Partys. Seit knapp zehn Jahren ist Magda Albrecht aus der feministischen Blogosphäre in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Ihre Homebase ist die „Mädchenmannschaft“, einer der ältesten feministischen Blogs, der Deutschland seit 2007 immer wieder in Wallung versetzt.
Dort begann sie 2009 – mit nur 22 Jahren – zu bloggen, und dort schreibt sie immer noch.

Dass Magda gerne nach draußen geht, gerne auf Bühnen steht, weiß sie schon lange. Mit 14 gründete sie mit Freund*innen ihre erste Band namens Totally Stressed. „Meine Mutter war ja Opernsängerin und deswegen hieß es damals: ‚Du bist die Sängerin‘“, erinnert sich Albrecht. Als Teenie-Band, die mit Mädchen besetzt war, erlebte Magda in der männlich dominierten Musikszene einiges an Sexismus. Gleichzeitig machte ihr die heute sechsköpfige Band, die soliden Rock spielt – Art Rock, wie sie es selbst nennen –, tierischen Spaß.

Ihr Erwachen als feministische Aktivistin hatte Magda Albrecht in der US-amerikanischen Hauptstadt des linken Liberalismus, deren alternative und feministische Szene bereits mit einer eigenen Comedy-Serie ein Denkmal gesetzt wurde: Portland. An der dortigen Universität erlebte die damalige Amerikanistikstudentin, wie selbstverständlich Feminismus und Antirassismus Teil von Wissenschaft und Lehrplänen sein können. Das betraf und betrifft eben nicht nur die in Deutschland bekannten feministischen Gruppen und die Schwarze Bürger*innenrechtsbewegung: Auch das Fat Acceptance Movement entstammt den USA und ist dort zu einer großen Bewegung gewachsen. Sie ist kein neues Phänomen, sondern schon immer als Teil der sozialen Revolutionen und Emanzipationsbestrebungen zu fassen, die wir heute als 1968er-, Student*innen- oder Bürger*innenrechtsbewegungen kennen.

1967 fand das erste „Fat-In“ im New Yorker Central Park statt. Laut Berichterstattung waren fünfhundert Aktivist*innen vor Ort. Sie hielten Schilder hoch, auf denen Sprüche wie „Fat Power“ und „Buddha was fat“ standen. Sie hielten Reden und verbrannten angeblich Diätbücher. Ein paar Jahre später entstand das radikalfeministische Kollektiv The Fat Underground in Los Angeles, das mit zahlreichen Aktionen, Manifesten und Positionspapieren zu einem so breiten Themenspektrum wie Diskriminierung am Arbeitsplatz, Gesundheit, Ernährung, Psychiatrie, Möbel, Stereotypen, Sexismus und Humor den körperpolitischen Diskurs fütterte.

Die wohl medienwirksamste Aktion von The Fat Underground war ihr Nachruf auf die ehemalige Sängerin von The Mamas and The Papas, Naomi Cohen, besser bekannt als Mama Cass, die 1976 an einem Herzinfarkt starb. In den Medien wurde neben ihrem Drogengebrauch vor allem ihr Gewicht für ihren Tod verantwortlich gemacht, es zirkulierte gar die Verleumdung, die dicke Sängerin sei an einem Schinkensandwich erstickt. The Fat Underground priesen das Lebenswerk der Künstlerin, wiesen die Gerüchte zurück und stattdessen darauf hin, dass Cohen immer wieder und auch zum Zeitpunkt ihres Todes auf Crash-Diäten war, was zu ihrem tödlichen Herzinfarkt beigetragen haben könnte.

Es sind Aktivistinnen wie jene von The Fat Underground, die Magda Albrecht beeinflusst haben. Zwar gab es auch breitenwirksame Publikationen, etwa der 1978 erschienene Bestseller „Fat Is A Feminist Issue“ (deutschprachiger Titel „Antidätbuch“) der britischen Psychoanalytikerin Susie Orbach, doch wird diese von vielen Fat-Aktivist*innen kritisiert, weil…