Von Valerie-Siba Rousparast

Akua Naru rappt auf ihrem neuen Album, „The Blackest Joy“, das am 27. April erscheinen wird, ebenso poetisch wie politisch über Sisterhood, das Leben in der Diaspora und Liebe. Für die aktuelle Printausgabe des Missy Magazines traf sie Missy-Redakteurin Valerie-Siba Rousparast zum Interview. Nun gibt es  den Text auch online zu lesen – und dazu das neue Video von Akua Naru, gedreht in Lomé, Togo, zur Single „Made it“. Energie, Stärke und Widerstandsfähigkeit – das feiern das Video und Narus neues Album.

Aufgewachsen mit Kirchenmusik im US-amerikanischen Connecticut, schrieb LaTanya Olatunji aka Akua Naru schon als kleines Kind erste Texte. Bald wurden daraus sozialkritische Lyrics, dann die ersten Raps zu HipHop-Beats. Die hörte sie auf Platten, die ihr Onkel heimlich nach Hause brachte, wo weltliche Musik ungern gesehen war. Später studierte Akua Naru Geschichte und Englische Literatur und setzte sich mit kolonialer Geschichte, Rassismus und strukturellen Diskriminierungen auseinander. Inspiriert von Blues, Soul und Jazz verarbeitet sie bis heute dieses Wissen in ihrer Musik, in der soulige Beats und Jazztrompeten auf ernsthafte Poesie treffen. Um ihrem Schaffen akademischen Tiefgang zu verleihen, hat sie auch schon mit der Afrikawissenschaftlerin und HipHop-Expertin Tricia Rose, Direktorin des Center for Study of Race and Ethnicity in America an der Brown University, zusammengearbeitet.

Nach ihrem Debüt „The Journey Aflame“ von 2011 und zwei weiteren Studioalben, Touren und Kollaborationen mit Künstler*innen wie Fela Kuti, Angelique Kidjo, Ben L’Oncle Soul und Schlagzeuger Tony Allen, der heute als einer der Begründer des Afrobeats gilt, ist Akua Naru wieder am Start. Ihr viertes Album „The Blackest Joy“ erzählt von der Kraft Schwarzer Frauen, vom Leben in der Diaspora und von Liebe. Einmal mehr beweist sie: HipHop ist politisch, radikal und poetisch. Nun ist die Künstlerin wieder in Köln, wo sie bereits zuvor einige Jahre gelebt hatte. Während unseres Telefoninterviews lacht Akua Naru viel und lässt ihre Antworten klingen wie Zeilen aus einer Spoken-Word-Performance.

Akua Naru © Katja Ruge

Du erzählst auf deinem neuen Album „The Blackest Joy“ von Identität, Familie und Zusammenhalt. Warum sind dir diese Themen wichtig?
Weißt du, meine Musik handelt immer davon, was es bedeutet, in diesem, in meinem Körper zu leben. Und davon, was das in dieser Welt bedeutet, denn Schwarze Körper stehen unter Angriff. Wenn du dir die Geschichte von Kolonialisierung und Kapitalismus ansiehst, wenn du an das Problem der Masseninhaftierungen, Polizeigewalt und Gewalt gegen Schwarze Körper denkst, dann ist es schon eine Anstrengung zu lächeln, geschweige denn zu lachen. Unter diesen Umständen liegt eine Macht in der Freude. Und diese Freude ist die „Blackest Joy“, die süßeste aller Freuden.

Polizeigewalt und Masseninhaftierungen sind in den USA ein großes Thema. Hast du das Land deshalb verlassen?
Nein, das war nicht der Grund. Ich habe den Spirit einer Reisenden. Un d in diesem Körper gibt es keine Zuflucht – es sei den n, man ist auf dem afrikanischen Kontinent. Also wollte ich erleben, wie es ist, in Asien zu leben, in Afrika, in Europa. Ich habe nur eine kleine Tasche voller Bücher gepackt und bin auf Reisen gegangen.

Inspiriert dich das Reisen?
Ja, absolut! Gott hat alle kreiert. Zu verstehen, was es an verschiedenen Orten auf der Welt bedeutet, Mensch zu sein, ist faszinierend. Wie Menschen sich einbringen, was es bedeutet, ein Leben zu führen, eine Sprache zu beherrschen, in einem anderen Raum, an einem anderen Ort – das interessiert mich immer, egal, wo ich bin.

Deine Sprache ist Rap. Wie hast du angefangen zu schreiben?
Ich begann früh mit dem Lesen, schon als ich drei, vier Jahre alt war. Das ist meine Gabe, mit der ich auf die Welt gekommen bin. Aus Lesen wurde bald Rezitieren, aus dem Rezitieren wurde rhythmisches Rappen auf einen Beat. Daraus wurde Performen, erst für eine kleine Gruppe, meine Familie, meine Nachbarschaft, und dann für die Welt. Nichts davon passierte bewusst. Ich habe mich einfach meinem Verlangen hingegeben, meinem Selbst nachgefühlt. Das habe ich auch mit diesem Album wieder gemacht.

Du schreibst über Schwesternschaft, Frausein und die afrikanische Diaspora.
Genau. Ich schreibe für Schwarze Frauen. Ich schreibe für Schwarze Menschen. Ich schreibe zuallererst aus diesem Körper heraus. Aber jede*r kann die Musik erleben. Wenn William Faulkner oder Emily Dickinson geschrieben haben, dann immer für ihre Community. Darüber, was es bedeutet, wer sie sind. Aber am Ende des Tages sind wir alle Menschen. Wenn ich dir auf der Straße etwas zurufe, dann hören das auch alle anderen Anwesenden. So ist es auch mit meiner Musik. Ich schreibe von meinen Erfahrungen, und wenn du aus Deutschland kommst und einen Weg findest, das für dich anzuwenden, dann ist das gut.

Der Song „My Mother’s Daughter“ handelt von der Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Singst du von dir?
Ja, der Song handelt von mir. Er handelt aber eigentlich von noch viel mehr. Er ist in einer sehr afroamerikanischen Art und Weise geschrieben, in der über etwas gesprochen wird, aber gleichzeitig auch nicht. Ich bin mit meiner Schwester und meiner Mutter aufgewachsen, das Lied könnte also auch ihre Beziehung thematisieren. Aber im Grunde geht es darum, eine afrikanische Person in der Diaspora zu sein. Die Mutter ist der afrikanische Kontinent. Es geht um Generationen, um das Frausein, um Sisterhood und Mutterschaft. Ich frage mich darin: Wie viel von meiner Mutter ist in mir? Es geht um westafrikanische Kultur, die diese Jahrhunderte überlebt hat. Aber vor allem geht es um die Zärtlichkeit in der Beziehung zwischen Mutter und Tochter – der biologischen Mutter, aber auch der spirituellen.

Du sprichst viel über Spiritualität. Was bedeutet sie für dich?
Wow, sie bedeutet alles. Darüber könnte ich bis ans Ende meines Lebens sprechen. Ich glaube, dass wir alle spirituelle Wesen sind. Gott ist überall und in allem, was wir tun. Mein Ziel ist es deshalb, warmherzig und gut zu sein. Vor allem ist Spiritualität aber etwas, das im steten Wandel ist. Jetzt gebe ich dir diese Antwort, würdest du mich dasselbe in zwei Stunden noch mal fragen, käme etwas anderes dabei heraus, denn ich hätte mich in der Zwischenzeit verändert.

Wie arbeitest du, wenn du ein Album aufnimmst?
Es gibt zwei Schritte: erst das Schreiben der Lyrics, dann die Aufnahme. Oft gehe ich mit ein paar befreundeten Musiker*innen ins Studio. Wir machen Musik, nehmen sie auf und ich schreibe dazu. Den Song „Black Future“ habe ich erst vor einigen Wochen aufgenommen. Die Musik dazu stand schon. Ich saß in der Bahn in New York. Ich fand, dass die ursprüngliche Story nicht zur Musik passte, also musste ich sie neu schreiben. Wir haben das Konzept in letzter Minute geändert. Alle waren so genervt! Aber ich muss nachts schlafen können.

Akua Naru „The Blackest Joy“
(Code Black / SPV), VÖ: 27.04.

Obwohl Sexismus kein genrespezifisches Problem ist, wird besonders HipHop häufig mit diesem Vorwurf konfrontiert. Äußert sich eine Rapperin feministisch, gilt das sofort als radikal politisch. Wie erlebst du das?
Ich glaube nicht, dass, nur weil jemand eine Schwarze Rapperin ist, das per se politisch ist. Alle Menschen sind rassifiziert. Dein Geschirrspüler, deine Schuhe, die Diamanten an deinem Verlobungsring und der Weg, den sie bis zu dir zurückgelegt haben – alles ist politisch. Wie die Autorin bell hooks in ihrem Buch „Feminism Is For Everybody“ schreibt, greifen viele Leute Feminismus erst mal an und schreien „Nein!“, wenn sie davon hören. Es gibt ein allgemeines Narrativ, das gegen Feminismus ist. Aber ich kenne überall Menschen, die Tag für Tag für Gleichberechtigung eintreten und für eine gerechtere, bessere Zukunft.

Wo du gerade von Zukunft sprichst: Das letzte Lied auf deinem Album heißt „Black Future“. Wie malst du dir diese aus?
Ich stelle sie mir strahlend vor. Eine leuchtende, strahlende Zukunft.