Von Leyla Yenirce

Als ich während meines Studiums ein Jahr in den Vereinigten Staaten studierte, hatte sich ziemlich rasch mein Spitzname auf dem Campus herumgesprochen. Ich wurde aufgrund meiner Herkunft „The German“ genannt. Wow, dachte ich. Die Amis kriegen hin, was die Deutschen seit über 20 Jahren nicht auf die Reihe kriegen. Und ich war ein loyaler German. Ich habe im Toastbrotland vom Schwarzbrotland geschwärmt und fast nur Einsen geschrieben, weil ich so eine Streberin war. Die Profs haben meinen kritischen Geist gelobt und ich habe als Alman-Repräsentantin einen guten Dienst für Schland geleistet.

Frei nach Harun Farocki: „Als er alle Teile zusammen hat, will er den Staubsauger zusammensetzen – aber wie er es auch anstellt, es kommt immer eine Maschinenpistole dabei raus.“ © Tine Fetz

Auch meine Eltern haben einen guten Dienst für dieses Land geleistet. Immerhin machen sie sich als Arbeiter*innen schon über zwei Jahrzehnte lang den Rücken buckelig, zahlen fleißig Steuern und passen sich an, so gut wie sie es können. Sie kriegen ja auch was zurück; die Sicherung ihrer Existenz und ein friedliches Leben. Aber es gibt eine Sache, die sie nicht zurückkriegen: Loyalität. Mittlerweile weiß ich auch: Dieses Land hat mich nicht verdient.

Denn während ich mich bemühe, so unauffällig und angepasst wie möglich zu sein, um ja keine Klischees über Ausländer*innen zu erfüllen, verkauft dieses Land Waffen an diejenigen, die meine Familie damals zur Flucht aus ihrem Heimatland getrieben haben. Deutschland, wo bleibt deine Loyalität? Warum reichst du dem türkischen Militär deine Waffen, womit Kurd*innen umgebracht werden?

Als Kind der zweiten Generationen scheine ich mich blöderweise auch noch mehr mit diesem Land zu identifizieren, denn während mich die Waffenverkäufe wütend machen, scheinen sie meinen Eltern eher gleichgültig zu sein: „Wenn die Deutschen nicht die Waffen verkaufen, tut es halt irgendjemand anderes“, teilte meine Mutter mir mit. Und sie hat recht, denn auch wenn ich am liebsten auswandern würde, fragt sich wohin, denn ist es ja leider nicht so, als würden sich andere Länder weniger die Hände schmutzig machen, geschweige denn, dass ich mich woanders genauso wohlfühlen würde wie in dem Land, in dem ich sozialisiert wurde.

Ich erinnere mich an ein Bild, das mir eine Freundin geschickt hat, weil sie es lustig fand. Darauf sind Teilnehmende einer Demonstration im Juli 2015 gegen die europäischen Sparvorgaben zu sehen, die ein Transpi tragen mit der Aufschrift: „Deutschland du mieses Stück Scheiße“. Tatsächlich gab es dafür eine Strafanzeige wegen „Verunglimpfung des Staates“. Wir fanden es eher amüsant, weil es keine politische Forderung beinhaltet, sondern lediglich abwertet, in einem Ton, der überzogen wirkt. Wenn ich dann aber in den kurdischen Nachrichten Bilder von Faschos sehe, die Selfies in Leopard 2 Panzern vor der zerbombten Stadt Afrîn machen, kann ich nur sagen: Die Parole hat Deutschland verdient.

Es gibt natürlich mehr als nur die Krupp-Stahl verkaufende Außenpolitik in diesem Land, z. B. so etwas wie freundliche Nachbar*innen oder diejenigen netten Menschen, die auch gegen Waffenexporte sind. Trotzdem ist es ein herber Schlag gegen die diasporische kurdische Gemeinschaft, für die Deutschland ein Exilland geworden ist und die den politischen Umständen entsprechend auch erst mal bleiben wird.

Ich bin nach meinem Jahr in den USA gerne nach Deutschland zurückgekehrt. Ich hatte nicht nur meine Familie und Freund*innen vermisst, sondern mein Leben hier. Aber ich bin trotzdem enttäuscht, obwohl ich nicht einmal besonders viel von Deutschland erwarte. Ich will einfach in Ruhe gelassen werden, ohne mich dabei um meine Existenz sorgen zu müssen. Ich habe keine Lust, nach zwanzig Jahren für dieselben Dinge auf die Straße zu gehen, für die meine Eltern schon auf die Straße gingen, weil sich nichts geändert hat. Es macht mich müde und widerständig zugleich, aber leider nicht so stark wie deutsche Markenqualität. Auf die schwört mein Vater – ähnlich wie das türkische Militär auch – , wenn er neue Geräte kauft.