Von Mareice Kaiser

In diesem Text geht es um das Wort „Inklusion“, darum, was es bedeutet und warum es wichtig ist. Der Begriff „Inklusion“ kommt aus einer sehr alten Sprache. Sie heißt Latein. Er bedeutet Einbeziehung, Einschluss und Zugehörigkeit – in der Schule, in der Freizeit, im Beruf, in den Medien, im ganzen Leben. Es geht um die Gesellschaft und um die Menschen, die in ihr leben.

Seit dem Jahr 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutsch­land in Kraft. Seit diesem Gesetz wird vor allem im Zusammenhang mit Behinderung von Inklusion gesprochen. Dabei meint Inklusion viel mehr. Neben einer Behinderung zählen zum Beispiel diese Eigenschaften von Menschen dazu: wen wir begehren (sexuelle Orientierung), wo wir herkommen (Herkunft), wie wir aussehen (Hautfarbe), welches Geschlecht wir haben. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Merkmale. Unabhängig davon sollen alle Menschen die gleichen Rechte und Chancen haben. Es geht um das selbstverständliche Zusammensein und Teilhabe von Anfang an. Niemand soll ausgeschlossen werden.

Zum Beispiel in der Schule. Dort bedeutet Inklusion, dass alle Kinder gleichberechtigt lernen. Ihre Unterschiedlichkeit wird als Normalfall angesehen. Damit das funktionieren kann, müssen sich Strukturen verändern. Wie Unterricht aussieht, muss sich ändern. Das passiert in Deutschland nur sehr langsam. An einigen inklusiven Schulen funktioniert das gemeinsame Lernen schon gut. Dort lernen Kinder mit und ohne Behinderungen neben- und miteinander unterschiedliche Dinge. Mohammed lernt schwierige Rechnungen, Elsa lernt das Essen mit einem Löffel. Gleichzeitig lernen alle, dass menschliche Vielfalt ein Wert ist.

Übrigens ändert sich mit dem Inklusionsbegriff auch die Bedeutung des Wortes „Behinderung“. In den 1970er-Jahren gab es die Behindertenbewegung, einen Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen. Sie haben für ein selbstbestimmtes Leben gekämpft und sagten: „Behindert ist man nicht, behindert wird man.“

Die Behinderungen von Menschen sind also nicht ihre persönlichen Probleme. Behinderungen entstehen dadurch, dass es in unserer Umwelt (Häuser, Straßen, Köpfe von Menschen) Barrieren gibt. Die Behinderung ist zum Beispiel nicht, dass eine Person gehörlos ist, sondern, dass nicht alle öffentlichen Veranstaltungen in Gebärdensprache übersetzt werden. „Soziales Modell von Behinderung“ heißt das. Das bedeutet, dass die Verantwortung für die inklusive Gesellschaft nicht bei den einzelnen Menschen mit Behinderung liegt, sondern bei uns allen.

Für alle Menschen, die nicht benachteiligt werden, bedeutet das: Sie müssen über Vorteile, Benachteiligungen und Ausgrenzung nachdenken. Rebecca Maskos ist eine Journalistin, die sich viel mit Inklusion beschäftigt. Sie beschreibt das Leben in einer inklusiven Gesellschaft so: „Die inklusive Gesellschaft würde nicht mehr danach fragen, ob jemand behindert ist oder nicht. Nicht mehr einteilen in ,behindert‘ oder ,nicht behindert‘. Sondern Inklusion würde danach fragen: Welche Bedürfnisse hat eine Person? Was braucht sie, um teilhaben zu können?“ Inklusion ist ein Menschenrecht und gilt für uns alle. Es geht darum, dass wir alle dabei sein können, wenn wir das wollen.

Diesen Text habe ich in Einfacher Sprache geschrieben, damit ihn so viele Menschen wie möglich verstehen. Das war eine Herausforderung für mich. Ich musste immer wieder nach passenden Worten suchen. Aber ich glaube, so funktioniert Inklusion: Am Anfang ist es ungewohnt und manchmal auch ein bisschen anstrengend, aber am Ende ist es für alle besser als vorher.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 01/18.