Von Daniela Chmelik

Die Feuilletons feierten Anja Kampmanns Debüt „Wie hoch die Wasser steigen“ unisono, als herausstechenden Roman über globalisierte Arbeitswelten und Entwurzelung, als sprachgewaltig, poetisch, dicht. Und tatsächlich jongliert die Literatin gekonnt mit vielen Namen, noch mehr Orten und mit Erinnerungsfragmenten ihres Protagonisten Waclaw.

© Juliane Henrich

Vorweg: Es ist ein Männerroman. Waclaw verliert auf einer Bohrinsel seinen Freund Mátyás, wird beurlaubt, reist und weiß, dass es kein Heimkommen mehr gibt. Der Verlust seines Freundes zieht weitere Verluste nach sich. Zunehmend verliert Waclaw den Boden unter den Füßen, während die Welt sich weiterdreht. Die Ferne dringt in ihn ein, aber nicht als etwas Freundliches, wie es im Buch heißt. Waclaw begibt sich in die Einsamkeit und wird gewissermaßen selbst eine unerreichbare Insel.

Anja Kampmann „Wie hoch die Wasser steigen“
Hanser Verlag, 352 S., 23 Euro

In melancholischer Getragenheit schildert die Autorin Kargheit und satte Bilder, Berge, Wüsten, Meere. Inniglich und detailreich erzählt sie von erbarmungsloser Industrie, Erschöpfung und Entfernung. Unklar bleibt die Art der Beziehung zwischen Waclaw und Mátyás, angedeutet findet sich, dass sie einander körperlich zärtlich zugetan waren. Klar ist, dass Waclaw keinen Ort mehr findet, wo er hingehören könnte. Als Leser*in mag man sich mitunter etwas „lost in description“ fühlen. Aber so muss es sein. Ein derart voller, dichter Roman verweigert sich einer oberflächlichen Lektüre.