Von Corinna Humuza

POSSY-Mitgründerin Isabelle Edi, Foto: Sophie Allerding

POSSY mischt das Hamburger Nachtleben auf. Die Deejays, Künstler*innen und Veranstalter*innen des Kollektivs hatten die Nase voll von männlicher Dominanz in der elektronischen Musikszene. Eine von ihnen ist die gebürtige Hamburgerin Isabelle Edi. Neben ihrem Kostümdesign-Studium, hat sie vor einem halben Jahr begonnen aufzulegen. Missy-Autorin Corinna Humuza sprach mit der 21-jährigen POSSY-Mitgründerin über Sicherheit auf Partys, Hamburger Spießigkeit und weshalb das Clubsterben in der Hansestadt auch eine Chance für frischen Wind sein kann.

POSSY möchte eine Lücke im Hamburger Nachtleben schließen. Was fehlt euch?
Was mir krass gefehlt hat sind Veranstaltungen mit neuen Ideen. Vieles von dem was in Hamburg stattfindet, gibt es schon seit Jahren. Das waren immer wieder die gleichen Partys, immer wieder die gleichen Leute. Ich hatte Lust, mich einzumischen und etwas Neues, das dem Zeitgeist entspricht, einzubringen. Natürlich gibt es Andere, die bereits feministische Partys schmeißen, so wie die DJ Yeşim. Aber es ist Zeit für mehr. Von anderen Veranstalter*innen wurde mir auch bestätigt, dass es Zeit für frischen Wind in der Szene ist.

Wie kam es zu POSSY?
Ich war vor eineinhalb Jahren in Leipzig bei einem female* DJ-Workshop, meine Freundin Luka nahm in Hildesheim bei einem ähnlichen Workshop teil. Dann haben wir die Ausschreibung einer interkulturellen Veranstaltung gesehen, die künstlerischen und interdisziplinären Austausch fördern sollte. Das Konzept fanden wir richtig cool. Wir haben dann die After Show-Party ausgerichtet, dort nur weibliche DJs gebucht und uns auch das ganze technische Know-How selbst beigebracht. Weil wir eben nicht wollten, dass uns beim Auflegen ins Pult gegriffen wird, was vielen weiblichen DJs passiert. Die Party war sehr erfolgreich, aber wir waren damals nur zu dritt, sodass wir danach völlig fertig waren. Wir hatten ja alles von der Pike auf selbst geplant und gemacht. Durch einen Freund, der das Booking im Club Yoko gemacht hat, hatten wir dann aber ein halbes Jahr später die Möglichkeit, dort zu spielen. Darüber haben wir eine neue Plattform bekommen.

Wer steckt hinter dem Kollektiv?
Wir sind insgesamt circa fünfzehn Leute. Anfangs waren wir zu dritt, aber wuchsen nach einem Open Call und mit ein paar Freund*innen stark an. POSSY besteht aus DJs und Künstler*innen, die zum Beispiel das Art Work machen, Performance-Künstler*innen und generell kulturell Interessierten. Die Aufgabenteilung ist frei wählbar. Das liegt uns am Herzen, damit wir uns ausprobieren können, je nachdem worauf jede einzelne gerade Lust hat.

Habt ihr auch trans und non-binary Personen im Team und wie achtet ihr darauf, inklusiv zu sein?
Nein, haben wir nicht. Bisher ist der Anteil queerer Personen in unserem Kollektiv (noch) gering. Für uns war es aber von Anfang an klar, dass alle auf unseren Partys und in unserem Team willkommen sind und sich sicher fühlen sollen. Auch deswegen stellt sich für uns aktuell die Frage, ob wir momentan neue Interessierte aufnehmen oder uns erstmal darauf konzentrieren sollen, Inhalte zu erarbeiten, wir begrüßen aber immer neue Ideen, Anregungen und die Künstler*innen mitzumachen.

Wo verortet ihr euch musikalisch?
Fine spielt z.B ziemlich harten Electro, Marie spielt eher House, aber auch Techno. Bei mir ist es ähnlich. Wir bewegen uns auf jeden Fall eher im elektronischen Bereich.

POSSY legt ja explizit einen Fokus, darauf, Frauen im Nachtleben zu fördern. Welche Rolle spielt das für dich?
Ich glaube gar nicht so auf Frauen bezogen. Was mir persönlich – und ich bin eine Frau – gefehlt hat, war ein sicherer Ort, wo ich auf politischer Ebene aber auch in einem Partykontext dazulernen und mich austauschen kann. Wo ich meine Bedürfnisse als Frau kommunizieren und in einem geschützten Raum Stärke daraus gewinnen kann, mit anderen auch über schlechte Erlebnisse auf Partys zu sprechen. Aber auch darüber, wie man damit umgehen und dem entgegenwirken kann.

Ist der Mangel an solchen Orten ein spezifisches Problem in Hamburg oder nimmst du das in anderen Städten ähnlich wahr?
Ich glaube, in anderen Städten gibt es das, was POSSY macht, bereits mehr. Die Idee kannte ich aus Leipzig. In Berlin gibt es solche Kollektive auch. Aber klar, generell glaube ich das Vernetzung unter Frauen überall wichtig ist.

Vernetzung und Repräsentanz ist ja immer auch eine intersektionale Frage. In Hamburg fällt mir immer auf, wie wenig sichtbar queere und BPoC Raver*innen, Deejays und generell Räume sind. Wie erklärst du dir das?
Hamburg ist da sehr spießig. Das fällt oft schon bei dem Publikum auf. Da ist wenig Lust, neue Sachen auszuprobieren, oder mal ein bisschen weiter zu fahren statt dahin zu gehen, wo man sowieso immer feiert. Bubble und Ogay sind die einzigen mir bekannten Partys die auf queeres Publikum abzielen. In anderen Städten wie Berlin gibt es vielleicht ein viel größeres Spektrum und viel mehr Möglichkeiten. Es besteht ein Wunsch nach mehr Diversität. Vielleicht hat sich hier einfach eine sehr elitäre Szene etabliert, die es schwer macht, sich mit Neuem einzubringen.

In den letzten Jahren mussten viele Clubs, wie das Kraniche, das Golem und kürzlich das Moloch schließen. Macht das Clubsterben es schwieriger, einen Fuß in die Tür zu kriegen?
Nein. Ich glaube es macht das sogar einfacher. Ich habe bei ganz kleinen Events angefangen zu spielen. Das war an der Hochschule für Bildende Künste. Es gibt also immer noch Orte, an denen man was Kleines veranstalten kann. Es ist schwierig, Räumlichkeiten zu mieten und Open Airs zu organisieren. Andererseits glaube ich, dass die Not kreativer macht und viele dazu bewegt, an neuen, anderen Orten vorbeizuschauen.

Du hast vorher über negative Situationen in der Partyszene gesprochen. Habt ihr Strategien gegen Diskriminierung auf euren Veranstaltungen?
Wir legen Wert auf Awareness und haben uns dafür z.B mit drei Personen getroffen, die sich damit viel auseinandergesetzt haben und die uns beraten und bei unserem nächsten Event unterstützen. Uns ist es wichtig, unsere Gäste schon vor der Party darauf hinzuweisen, dass wir einen respektvollen Umgang wichtig finden und diskriminierendes Verhaltenen nicht dulden. Außerdem haben wir Ansprechpartner*innen, sollte es zu Diskriminierung kommen.

Dieses Wochenende wird es auf eurem Sommerfest Workshops und Ausstellungen geben. Ist das ein Arschtritt für die weiße, mackerdominierte Kreativszene in Hamburg?
Ja, vielleicht (lacht). In erster Linie ist es uns wichtig, dass dieses Partyding nicht so im Mittelpunkt steht, sondern dass wir Räume für Austausch und Diskurs schaffen. Und da ist das Sommerfest erstmal ein Hammerprojekt. Die Organisationsarbeit war enorm, daran sind wir als Gruppe aber gewachsen. Wir freuen uns sehr darüber, diesen Diskurs aufblühen zu lassen und sind sehr gespannt, wie es wird.

Am 12.05. feiert POSSY ein Sommerfest in Hamburg. Neben Workshops, unter anderem zu Technik, Deejaying und Kritischer Männlichkeit, legen die Kollektivmitglieder in der Schaltzentrale auf. Ab 14 Uhr geht es los. Mehr Infos auf Facebook.