Von Vanessa Wohlrath

„Fuck you very much“ könnte als Slogan für eine digitale Poprevolution gelten, die sich Anfang 2000 unter anderem durch die Onlineplattformen MySpace und YouTube gegen die bestehenden Hierarchien der Musikindustrie auflehnte und Musiker*innen wie Lily Allen oder The Knife auch ohne Plattenvertrag und Studio die Möglichkeit bot, ganz ungefiltert mit ihren Songs an die Öffentlichkeit zu treten. Heute hat sich dieser DIY-Ansatz weitestgehend etabliert. Gesangsaufnahmen werden am Tablet aufgenommen und direkt veröffentlicht.

© Jack McKain

Während sich auf diesem Wege unbekannte junge Künstler*innen Gehör verschaffen, findet zeitgleich ein Rückblick auf alte, längst bestehende Musiktraditionen im Internet statt. So werden etwa vergessene Größen aus dem asiatischen und arabischen Raum wiederentdeckt. Genau diese beiden Bewegungen – DIY und die Neuentdeckung des Alten – haben auch dazu geführt, dass die US-amerikanische Violinistin Brittney Denise Parks zu ihrem ganz eigenen Klang fand.

Von ihrer Mutter meist „Sudan“ genannt, klickte sich Parks als 16-Jährige durchs Netz und stieß dabei auf Geigenmusik aus dem Land, von dem sich auch ihr Spitzname ableitet: dem Sudan. Sie selbst hatte sich das Geigenspiel bereits als Kind alleine beigebracht und gelernt, das Instrument nach Gehör zu spielen. Mithilfe von YouTube entdeckte sie dann plötzlich eine ihr völlig neue Spielweise, als sie es aus der klassischen Musik kannte. Angefixt von diesem eigentümlichen Stil machte sich die mittlerweile in Los Angeles lebende Musikerin auf die Suche nach ihren „Wurzeln“ in den geigenlastigen Traditionen des Sudans sowie in der westafrikanischen Folkmusik. Aus Brittney Denise Parks wurde Sudan Archives, die ihre Inspiration aus dem riesigen Repertoire an sudanesischen Liedern schöpft, in denen die Geige auch als Rhythmusinstrument eingesetzt wird.

Für ihren eigenen Sound ist die Kombination aus Folkeinflüssen mit elektronischen Elementen entscheidend. Sudan Archives bringt ihre Geige mit starken Beats zusammen, setzt sie perkussiv ein. Mal nimmt sie den Bogen und streicht, mal zupft und tupft sie mit den Fingern auf die Saiten. Das Ergebnis: synkopische Rhythmen, angereichert mit gesampleten Loops und einnehmenden Vocals – allesamt produziert in Eigenregie.

Sudan Archives „Sink“
(Stones Throw/Rough Trade)

Nach der selbstbetitelten Debüt-EP von 2017 erscheint nun mit „Sink“ ein beeindruckender Nachfolger, auf dem der Geist von Erykah Badu („Beautiful Mistake“) und Jamila Woods („Mind Control“) ebenso mitschwingt wie der trippige HipHop-Sound von Flying Lotus („Sink“). All das wird durchsetzt von einer Feinfühligkeit und Melancholie, mit denen Sudan Archives ihren Bogen genau richtig spannt.