Von Tasnim Rödder

Es ist neun Uhr morgens, als Irina Maria Mundt das Jobcenter in Berlin-Charlottenburg betritt. Sie trägt einen knielangen weißen Mantel, dazu eine cremefarbene Baskenmütze und einen passenden Schal. Mundt ist Mutter zweier Kinder, ausgebildete Diplom-Wirtschaftsübersetzerin, Yogalehrerin und Coach. Sie hat ihr Leben lang in verschiedenen Berufen gearbeitet, spricht vier Sprachen und war mehrere Monate beruflich im Ausland tätig. Heute sitzt sie in einem kahlen Raum im Jobcenter.

„Guten Morgen Frau Mundt, wollen Sie mir erzählen, wo Sie sich in letzter Zeit noch beworben haben?“, fragt die Vermittlerin. Mundt wurde der sogenannten Integrationsgruppe zugeteilt, in der nur Erwerbslose sind, die als „schwer vermittelbar“ gelten. Sie erfährt deshalb eine besonders intensive Betreuung. Mundt streicht ihren Schal glatt und richtet sich auf, ihr Kinn energisch nachgeschoben. Die Bewerbung als Kassiererin im Bioladen blieb bisher ohne Rückmeldung, ansonsten hat es bis jetzt nur Absagen gegeben. Sie fühle sich unter ihrem Wert behandelt, sagt sie später im Gespräch in einem Café. „Bevor ich meine jetzige Vermittlerin bekommen habe, betreute mich eine andere. Doch die schaute mir beim Reden nicht einmal ins Gesicht“, sagt sie und blickt auf ihre Hände. Sie weiß nicht mehr, was sie noch dazu sagen soll.

©Claudia Rorarius

Dass in Jobcentern einiges schiefläuft, geht nicht nur aus Fallbeispielen, sondern auch aus einer offiziellen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor, die im dritten Antidiskriminierungsbericht des Bundes festgehalten ist. Mittels Befragungen und Analysen von Beratungsanfragen kam man zu dem Schluss, dass insbesondere Menschen im höheren Alter, mit Behinderung, mit „Migrationshintergrund“ und Alleinerziehende Gefahr laufen, von den Vermittler*innen schlechter behandelt zu werden als andere

Arbeitssuchende. Auch trans Personen betrifft die Diskriminierungsgefahr. Viele Angestellte der Jobcenter schätzen sie bei der Vermittlung in Qualifizierungsmaßnahmen und Jobs
falsch ein. Der Grund: „ein vorweggenommenes angenommenes Scheitern”. Diskriminierungsrisiken aufgrund der sexuellen Orientierung konnten in der Studie nur in sehr geringem Ausmaß gefunden werden, was aber keine Einzelfälle ausschließt.

„Das Problem hängt von mehreren Faktoren ab“, erklärt Hartz-IV-Aktivistin und Bloggerin Inge Hannemann an einem Dezembernachmittag am Telefon. Acht Jahre lang arbeitete sie im Jobcenter. Damals versuchte sie immer wieder, die Strukturen intern zu kritisieren, meldete Beschwerden bei der Personalberatung und Vorgesetzten. Doch niemand hörte ihr richtig zu. Bis sie im April 2013 in einem öffentlichen Blogbeitrag die Bundesagentur für Arbeit fragte: „Wie viele Tote, Geschädigte und geschändete Hartz-IV-Bezieh…