Von Vina Yun

Kimchi, Bibimbap & Co.: In den letzten Jahren ist in den westlichen Metropolen ein regelrechter Hype um die koreanische Küche entstanden. Wer könnte auch Kimchi, diesem knackigen Salat aus fermentiertem, mit Chili und anderen Gewürzen eingelegtem Chinakohl, einer süchtig machenden Kombination aus scharf, süß, salzig und sauer, widerstehen? Oder Doenjang Jiigae, einem Eintopf auf Basis einer dicken, fermentierten Sojabohnenpaste, die unter anderem mit Dashima (getrocknetem Seetang) und Myeolchi (getrockneten Sardellen) gewürzt wird, ebenfalls ein Klassiker der koreanischen Cuisine – und ein garantierter Seelenwärmer.

© Missy Magazine/Eva Feuchter

Als ich in den 1970er- und 1980er-Jahren in Österreich aufwuchs, gab man sich davon alles andere als begeistert. Damals war „exotisches“ Essen weder Teil eines schicken Lifestyle, noch galt es als gesund. Ganz im Gegenteil: Etwas, das so seltsam aussah und noch merkwürdiger roch, war ebenso minderwertig wie verdächtig. Mit Stäbchen zu essen stellte ohnedies ein Kuriosum dar: Ob wir denn überhaupt wüssten, wie man mit Messer und Gabel – den Wahrzeichen europäischer „Zivilisiertheit“ und bürgerlichen Klassenbewusstseins – isst?

Auch der Umstand, dass in Asien viele Speisen von gemeinsamen Tellern gegessen werden, erschien suspekt – war das nicht total unhygienisch? Einmal saß ich am Mittagstisch einer Schulfreundin, vor mir stand eine große Schüssel mit Salat. Toll, dachte ich, genug da für alle, und langte beherzt zu. Den peinlich berührten Blick der Familie der Freundin werde ich nie vergessen: Dieses Mädchen hatte offensichtlich keinerlei Manieren. Erst nachdem jede*r ein Portiönchen Grünzeug aus besagter Schüssel auf den eigenen Teller gehievt hatte, durfte die Beilage genossen werden. Ich genierte mich.

Im Rückblick mag die Panik weißer Österreicher*innen vor aromatisch und kreativ gewürzten Speisen und unbekannten Zutaten lächerlich und provinziell erscheinen. Doch für Kinder aus migrantischen Familien, wie ich es war, stellte das Essen, das wir von zu Hause kannten und liebten, eine Quelle der Scham dar. Was unsere Eltern und uns zu „Ausländern“ machte, war vor allem unser angeblicher Gestank. Ich erinnere mich noch gut an die Angst, selbst aufzufliegen, wenn meine türkischen Mitschüler*innen als „Knoblauchfresser“ beschimpft wurden. Knoblauch essen und Primitivsein waren praktisch synonym.

Unter keinen Umständen hätte ich es gewagt, den Schulfreundinnen, die ich zu mir nach Hause einlud, koreanische Gerichte vorzusetzen – dies wäre einem Anschlag auf deren Leib und Leben gleichgekommen. Stattdessen gab es den Fertigmix „Pasta asciutta“ aus dem Päckchen und Rote-Beete-Salat aus dem Glas (viel gesünder!). Und ich ließ mir nichts anmerken, wenn ich am Mittagstisch meiner österreichischen Freundinnen den süßen Reisauflauf hinunterwürgte, der mir wohlwollend präsentiert wurde. Niemals hätten sie verstanden, wie viel Geborgenheit und Zugehörigkeit, Erinnerung und Stärkung uns das fremde, stinkige Essen gab, das sie die längste Zeit so sehr verachteten.