Von Karina Griffith

Wenn ich meinen Wintermantel anziehe, bereite ich mich auf das schlechte Wetter draußen vor. Doch nicht auf die Art von Wetter, die in den Vorhersagen im Fernsehen besprochen wird, sondern auf das Klima, das die Wissenschaftlerin Christina Sharpe die „allgemeine Atmosphäre unseres Lebens“ – nämlich eine anti-Schwarze Umgebung – nennt. Mein Schwarzer Körper, eingekuschelt in einen daunengefüllten Kokon, wird von vielen Personen sofort kommentiert: „Aber es ist doch gar nicht so kalt!“ Und: „Es muss schwer für dich im Winter sein, oder?“

Ich spreche mit der Autorin Clementine Burnley darüber, wie sehr mich solche Bemerkungen quälen. „Es ist die Rassenlehre des 18. Jahrhunderts“, sagt sie, ohne zu zögern. Die Vorstellung, dass Schwarze Menschen kaltes Wetter nicht aushalten, geht auf einen wissenschaftlichen Rassismus zurück, der geografische und Umweltfaktoren auf die Eigenschaften und Fähigkeiten von Menschen projiziert. Der Historiker Mark Neely erklärt, dass die Vorstellung, dass das nördliche Klima nicht für „melaninreiche Körper“ geeignet sei, Teil jener rassistischen Argumentation war, mit der Republikaner die Abschaffung der Sklaverei in den USA in den 1860er-Jahren ablehnten. Mikroaggressionen wie jene, die mein Wintermantel auslöst, haben also einen historischen Kontext.

Chester M. Pierce, Psychiater und Professor an der Universität Harvard, prägte den Begriff Mikroaggression in den 1970ern, um die ständigen Angriffe auf die Würde Schwarzer Menschen bei Begegnungen zwischen weißen und Schwarzen Personen im US-Kontext zu beschreiben. Die Ökonomin Mary Rowe übertrug das Konzept der Mikroaggression später auch auf geschlechtsspezifische Situationen. Derald Wing Sue, Professor für Beratungspsychologie an der Columbia University, hat drei verschiedene Kategorien von Mikroaggressionen beschrieben: Mikroangriffe (offensichtliche Übergriffe), Mikrobeleidigungen (klar erkennbare Unhöflichkeit) und Mikroentwürdigungen (Mitteilungen, die abweisend und ausschließend sind).

Mikroaggressionen sind, auch wenn es der Begriff suggeriert, nicht „klein“. Die Beraterin und Autorin Tupoka Ogette schreibt, dass Mikroaggressionen stets mit einer systematischen und institutionalisierten Diskriminierung verbunden sind. Mikroaggressionen sind ein Werkzeug, das Mitglieder dominierender Gesellschaftsgruppen benutzen, um die Arbeit der Polizei, der Gerichte, der Regierungen – der Philosoph Louis Althusser nennt diese „repressive staatliche Apparate“ – in der Privatsphäre auszuüben. Die Migrationspolitik, die People of Color davon abhält, frei über Grenzen hinweg zu reisen, spiegelt sich etwa in der scheinbar harmlosen Frage „Wo kommst du her?“ wider.
Je nachdem, wer diese Frage stellt, wird mit dieser Mikroentwürdigung eine unsichtbare Wand zwischen Menschen aufgebaut. Die Frage „Wo bekomme ich Drogen?“ an Schwarze Menschen ist eine Mikrobeleidigung, die dem gleichen Denkmuster folgt wie die Praxis des Racial Profiling der Polizei. Der Künstler Isaiah Lopaz hat solche Sätze für seine Fotoserie „Things You Can Tell Just By Looking At Him“ auf T-Shirts drucken lassen.

Auf diese Angriffe folgt selten eine aufrichtige Entschuldigung. Dies ermöglicht, dass die Aggression – sowohl die institutionelle als auch die private – unbenannt bleibt. Mikroaggressionen zeigen die Vorurteile, an denen sich die Mehrheitsgesellschaft orientiert. Das Schlimmste ist, dass wohlwollende Menschen uns ermutigen, sie zu ignorieren. Oft wird die Person, die Mikroaggression erfährt, beschuldigt, „zu sensibel“ zu sein. Mikroaggressionen sind eine Form von Unterdrückung. Wenn wir uns doch nur so leicht vor ihr schützen könnten wie vor dem Wetter im Winter. ­

Dieser Text erschien zuerst in Missy 02/18.