Juwelen für die Armee
Von
Von Fatma Aydemir
Interview: Jesse R. Buendia
Die beliebtesten arabischen Liebeslieder des zwanzigsten Jahrhunderts stammen aus dem Repertoire einer Künstlerin, die offiziell niemals verliebt gewesen ist. Einer Sängerin, die mit ihren breiten Schultern und schiefen Zähnen allen Schönheitsidealen ihrer Zeit widersprach und in die dennoch Millionen von Menschen verknallt waren. Es sind zahlreiche Mythen, die Leben und Werk von Oum Kulthum umranken. Die ägyptische Diva mit der imposanten Hochsteckfrisur und dem tiefen Timbre diente zeit ihres Lebens als Projektionsfläche für die Erhabenheit moderner arabischer Kultur und tut dies noch heute – über vierzig Jahre nach ihrem Tod.
„Oum Kulthum ist eher eine Vorstellung als eine reale Person und sie wollte auch eine Vorstellung bleiben. Manchmal denke ich, sie hat sehr bewusst kalkuliert, wie wir sie nach ihrem Tod in Erinnerung behalten sollen“, sagt Shirin Neshat. Die iranische Künstlerin hat mit „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ einen Spielfilm über die Ikone gedreht. Oder viel eher: einen Spielfilm über Kulthums Bedeutung für Künstler*innen aus dem Nahen Osten. Im Mittelpunkt steht die iranische Regisseurin Mitra (gespielt von Neda Rahmanian), die während der Arbeit an einem Biopic über Oum Kulthum mit immer neuen Hürden konfrontiert wird. Männliche Kollegen am Set zweifeln an Mitras Können, werfen ihr vor, Kulthum falsch darzustellen und ihr ohne Arabischkenntnisse nicht gerecht werden zu können.
„Auch ich spreche kein Arabisch und werde Oum Kulthum nie auf dieselbe Art verstehen können wie arabischsprachige Hörer*innen“, erzählt Neshat im Gespräch mit Missy. „Trotzdem glaube ich, dass Musik eine viel tiefgreifendere Erfahrung ist als das reine
Verständnis von Lyrics. Unsere Musiktraditionen im Iran sind ja verwandt mit den arabischen. Ich fühle den Schmerz und die Sehnsucht in Kulthums Liedern. Denn ich verstehe die Tradition, aus der sie kommen.“
Düster bis kühl sind die Stimmungen, die „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ zum Großteil dominieren. Glamouröse Drehorte und schillernde Bühnenkostüme vergegenwärtigen die „Goldene Ära“ Ägyptens, wie die Periode der 1950er- und 1960er Jahre aufgrund der lebhaften Kulturlandschaft genannt wurde. Prägend war zu dieser Zeit vor allem Oum Kulthum, die es mit ihren monatlichen Radiokonzerten schaffte, dass sich die Straßen Kairos leerten, weil alle sich um ihre Radios versammelt hatten. Und nicht nur in ihrer Heimat wurde die Volksheldin, deren einzelne Lieder mal gut eine Stunde dauern konnten, wie eine Heilige gefeiert. Jeder Auslandsbesuch wurde zum medialen Großevent. So schreibt die libanesische Presse über Kult…