Von Stefanie Lohaus

Was Menschen wirklich wichtig ist, erfährt man anhand der Aufkleber auf ihren Autos. Häufig sind das christliche Fische-Symbole oder „Baby an Bord“-Bekenntnisse. Ise Boschs blau-metallischen Toyota, mit dem sie mich am Bahnhof einer Kleinstadt in Norddeutschland abholt, zieren: eine Pride-Flag, ein Aufkleber mit der Web-Adresse der von ihr mitgegründeten Stiftung „filia.diefrauenstiftung“ und ein „Atomkraft? Nein Danke!“-Sticker.

Ise Bosch wohnt in einem kleinen Haus, in einem gewöhnlichen Ort auf dem Land, und fährt ein gewöhnliches Auto. Sie gibt Geld für feministische und LGBTIQ-Projekte und äußert sich explizit kapitalismuskritisch. Dadurch unterscheidet sie sich von anderen bekannten reichen Personen wie den Quandts oder Susanne Klatten, die an konservative Parteien wie die CDU oder die FDP spenden – also diejenigen, die für Besitzbewahrung stehen. Oder von Charity-Queen Ute Ohoven, die für Kinder und gegen Krebs spendet. Das hilft ohne Zweifel auch, stellt aber nicht die herrschenden Verhältnisse infrage. Und doch gibt es sie, die Reichen mit dem politischen Bewusstsein. Ise Bosch ist da nicht die einzige, mir fallen spontan noch George Soros’ „Open Society Foundation“ oder Jan Philipp Reemtsma ein. Aber vielleicht ist sie eine der konsequentesten – und der Name Bosch, auf den ich jeden Morgen blicke, wenn ich Milch aus meinem Kühlschrank hole, wirkt natürlich fast schon mystisch.

 

Wer mit Ise Bosch spricht, merkt ziemlich schnell, dass es ihr nicht um Steuersparen oder karitative Mildtätigkeit geht. Sie ist eine Menschenrechtsaktivistin, die die ihr vorhandene Ressource politisch nutzt und damit so weit von Charity entfernt ist wie das Missy Magazine vom Handelsblatt. Bosch ist eine Activist Donor, wie sie es selbst nennt, eine Spendenaktivistin, die mit „Geld politisch arbeitet“. Und sie ist Teil der weltweiten LGBTIQ-

Community, die sie zum ersten Mal während ihres Studiums am Reed College in Portland kennenlernte. Darauf angesprochen blitzt es in ihren Augen: „Das Reed College war links und alternativ, schon seit den 1930ern, ein Zufluchtsort für das alternative Obere-Mittelklassen-Amerika. Es gab intellektuelle Freiheit und sehr gute Kurse in Feminismus. Ich habe dort angefangen linkes Radio zu machen und habe das dann später bei Radio 100 in Berlin fortgeführt.“ Westberlin, Anfang der 1990er, für die junge, linke, lesbische Ise Bosch ein „logischer Ort“, um nach ihrem Bachelor in Portland zu leben und zu studieren.

Mit ihrem politischen Ansatz steht Ise Bosch in guter Familientradition. Schon ihr Großvater, Unternehmensgründer Robert Bosch, bemühte sich etwa um gute Arbeitsbedingungen und spendete einen großen Teil seiner Gewinne. Und entgegen des Zeitgeistes war er kein Antisemit. Er war Mitglied im 1890 gegründeten „Verein zur Abwehr des Antisemitism…