Von Frederik Müller

Toxic masculinity ist Englisch und bedeutet toxische, also schädliche Männlichkeit. Das Konzept beschreibt eine in unserer Gesellschaft vorherrschende Vorstellung von Männlichkeit und umfasst das Verhalten, das Selbstbild und Beziehungskonzepte von Männern sowie kollektive männliche Strukturen. Männer sollen keine Schwäche zeigen, höchstens Wut, sie sollen hart sein, aggressiv und nicht zärtlich oder liebevoll, schon gar nicht miteinander. Männlichkeit muss immer wieder bewiesen werden, z. B. durch die Einordnung in eine Hierarchie, die mit Mutproben und erniedrigenden Ritualen gefestigt wird – auf dem Schulhof genauso wie in der Bundeswehr.

So findet toxische Männlichkeit in der Kindheit ihren Anfang und setzt sich nicht zuletzt in Männerbünden als Organisationsform auf allen Ebenen der Gesellschaft fort. Sie findet aber nicht nur „unter Männern“ statt, sondern richtet sich auch nach außen: In Form von Gewalt gegen andere, vor allem Frauen und Queers, und sexualisierter Gewalt gegen Menschen aller Geschlechter. Es geht immer auch um Sexualität: Nach den Vorannahmen von toxischer Männlichkeit muss ein Mann immer (heterosexuellen) Sex haben wollen und können. Dies ist ein wichtiger Baustein der Vergewaltigungskultur (Rape Culture) und verstärkt zudem das gefährliche Vorurteil, dass Männer nicht Opfer von sexualisierter Gewalt werden können.

Wer toxische Männlichkeit erlernt hat, lebt mit einem Mangel: Diese Personen haben meist kein gutes Verhältnis zu ihrem Körper, können ihre eigenen Grenzen ebenso wenig respektieren wie die anderer und haben Schwierigkeiten damit, Gefühle zuzulassen, zu zeigen und zu verarbeiten. Konsequenzen hieraus sehen wir etwa im schlechten Umgang heterosexueller cis Männer mit dem eigenen Körper, ihrer Nachlässigkeit gegenüber der eigenen Gesundheit und ihrer Tendenz zu Depressionen, Sucht und Suizid.

Weil toxische Männer mit ihren Gefühlen nicht alleine hantieren können, lagern sie diese Aufgabe meist an andere aus. Vor allem Frauen und femininere Personen als man selbst werden wie Gefühlsmaschinen benutzt, die ihnen die eigene Gefühlswelt sortieren und erklären sollen. Für viele heterosexuelle Männer sind Freund*innenschaften, die Frauen und Queers untereinander und miteinander führen, unvorstellbare Schauplätze von Nähe und Intimität. Sie sehen sich oft nicht in der Lage, selbst Zärtlichkeit und Verletzlichkeit in eine Beziehung einzubringen. Sowohl cis als auch trans Männer können toxische Männlichkeit verkörpern, aber diese Eigenschaften sind nicht auf ein Geschlecht beschränkt. Es ist kaum möglich, toxische Männlichkeit lediglich in einzelnen Identitäten zu verorten, da unterschiedlichste Gender sie nutzen, um Maskulinität, also eine maskuline Performance, herzustellen. Vielen fällt es schwer, zwischen maskuliner Performance und toxischem, gewaltvollem Verhalten zu unterscheiden. 

Doch es gibt Auswege! Die Netflix-Serie „Queer Eye“ ist wie ein Geschenk der queeren Welt an alle, die im Sumpf der toxischen Männlichkeit verharren. Hier zeigen fünf schwule Männer ausgewählten, zumeist heterosexuellen Männern, unter dem Deckmäntelchen einer Typveränderungsshow, wie sie ihre alten, toxischen Verhaltensweisen und Lebenskonzepte ablegen und weichere, offenere und liebevollere Männer, Väter, Partner und Freunde werden können. Maskulinität an sich wird ihnen dabei nicht ausgetrieben, denn sie ist nicht das Problem. Im Leben jenseits der Reality-Serie kann mensch sich leider nicht von fünf schwulen Jungs retten lassen, sondern muss alleine die ersten Schritte tun: erkennen, dass es so nicht weitergehen kann. Und dann, am besten mit der Unterstützung anderer Männer, Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 04/18.