Von Josephine Apraku

„Schwangerschaft ist die schönste Zeit im Leben einer Frau!“ So oder so ähnlich, da sind meine Freund*innen und ich uns einig, haben wir das alle schon mal gehört. Außer der Geburt, das ist Teil dieser Geschichte, die ist grauenhaft und schmerzvoll, weil no pain no gain und so. SURPRISE, das Patriarchat lügt! Schwangersein, zumindest in meinem Fall, ist kacke und das Patriarchat prostet sich lachend ob meiner Naivität in bester Mad-Men-Manier zu. Mit Single Malt Whiskey.

© Tine Fetz

Aus Filmen weiß ich, dass ich eine Schwangerschaft daran erkenne, dass ich – im Idealfall – im Badezimmer eines Großraumbüros oder in irgendeinem öffentlichen Badezimmer kotzen muss. Maximal ein-, zweimal. Im Spiegel des Waschbeckens würde mich in diesem Film, während ich mein charmant verlaufenes Make-up betrachte, eine Ahnung beschleichen. Ich würde mich erinnern, dass ich längst überfällig bin. Ich wäre schockiert und glücklich zugleich. Die frohe Kunde würde ich mit einem Mann teilen, der aussieht wie ein weißer Ken, der, das sollte offensichtlich sein, anders als das Original keinen als Unterhose getarnten Keuschheitsgürtel aus Plastik trägt.

Meine Realität sieht etwas anders aus. Zwar habe ich eine Süßkartoffel an meiner Seite – zu ihm zu einem anderen Zeitpunkt mehr –, aber das war es auch schon. Mir schwant erst mal nix. Ich gehe zunächst davon aus, dass die Vorboten meiner monatlichen Menstruation, wie sonst auch, die körperliche Variante der Vorboten der Apokalypse sind: Ich bin müde, schwitze doll, rieche streng, bin kurzatmig, als hätte ich eine ausgewachsene Grippe, und alles nervt mich unverhältnismäßig mehr als sonst. Die Süßkartoffel auch.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.

Wenige Tage bevor ich an einem Sonntagmorgen im Frühling einen Schwangerschaftstest mache, der mir anzeigt, schwanger zu sein, überkommt mich erstmals eine Übelkeit, die mich nicht weniger als neun Wochen begleiten wird. Spoiler alert: Der Begriff „Morgenübelkeit“ ist eines dieser patriarchalen Lügenmärchen. Mir ist von morgens bis abends schlecht. Hunger oder Appetit habe ich keinen mehr. Bis auf ein paar Bissen Wassermelone, trockenes Brot, Kartoffeln mit Salz oder Thai-Reis – zur Feier des Tages mit Salz – esse ich quasi gar nix. Andere Lebensmittel finde ich widerwärtig.

Während dieser Wochen schleppe ich mich ausgelaugt und geschwächt durch das wenige Essen durch die Stadt. In der U-Bahn verfluche ich die Tatsache, dass meine Schwangerschaft nicht sichtbarer ist und Menschen bei meinem Anblick nicht augenblicklich von ihren Plätzen aufspringen. Meine bevorzugte Körperhaltung in dieser Zeit ist wahlweise sitzend – wobei ich insgeheim auch das zu anstrengend finde – oder seitlich liegend und im Idealfall schlafend. In einem kühlen dunklen Zimmer. Allein.

Ganz ehrlich, es ist einfach keine schöne Zeit. Ich heule jeden Tag mindestens einmal, eher zweimal. Alles, was ich gerne mache, was einen Ausgleich zu meiner Arbeit schafft oder einfach nur entspannend ist – essen, Sport, Spaziergänge mit dem Tier, mit Freund*innen sein –, geht nicht. Alles ist zu anstrengend, bereitet mir Übelkeit oder Schwindelgefühl, verursacht Magenkrämpfe, pochende Kopfschmerzen und Sodbrennen. Ich fühle mich insgesamt nicht wie ich selbst, als wäre mir meine Essenz abhandengekommen – inadäquat. Auch deshalb macht der Aktionismus der Menschen um mich herum mich wütend, denn sie verstehen nicht: ES GEHT EINFACH NICHT. ICH KANN NICHT.

Nach einem Infoabend in einem Geburtshaus, während dem ich mich die ganze Zeit frage, wie die anderen Schwangeren um mich herum so voll der Würde erscheinen, erbreche ich das wenige Essen, das ich mir den Tag über reingepresst habe. Einschlafen kann ich nicht, also hören mein Partner und ich „Die Drei ???“, wodurch die erdnussgroße Kreatur in meinem Uterus ihren ersten Spitznamen erhält: Teufelszwirn – eine parasitäre Pflanze, die anderen Pflanzen die Nährstoffe entzieht.

An diesem Abend finde ich, wie so oft in meinem Leben, Zuflucht im Internet. Ich kann nicht der einzige schwangere Mensch sein, dem es so dreckig geht. Also google ich, was in den nächsten Wochen meine liebste Wortkombination wird: „I hate being pregnant.“ Die Artikel, die ich lese, die Videos, die ich schaue, lassen mich erleichtert lachen und zustimmend schluchzen. Manchmal beides gleichzeitig. Ich blicke in den Spiegel erschöpft-verweinter, übellauniger Gesichter und erkenne mich darin. Heilsam.

Auch ich möchte ehrlich sein, nur deshalb schreibe ich ja überhaupt über meine Erfahrungen: Ich hatte viele Momente, in denen ich über eine Abtreibung nachgedacht habe, einfach weil ich dachte, dass ich das nicht über Monate hinweg packe. Ja, ich freue mich auf den Menschen, der da in mir heranwächst. Nein, ich finde Schwangersein nicht schön. Kein bisschen. Im Gegenteil. Das geht beides zusammen, das ist okay, das ist nicht schlimm. Ich darf das und du darfst das auch. Wir sind Menschen und uns steht die volle Bandbreite an Emotionen zu. Auch die, von denen das Patriarchat findet, dass sie uns nicht zustehen.