Von Dominique Haensell

Ebony Bones sagt mir was. Kein Wunder, immerhin ist die Londoner Künstlerin mit dem charakteristischen blonden Afro schon seit zehn Jahren im Musikbusiness unterwegs. Zwischen ihrem 2009 selbst aufgenommenen und anonym auf Myspace hochgeladenen Hit „We Know All About U“, zwei vielbeachteten Alben und spektakulären Liveauftritten hat sich die 1982 geborene ehemalige Schauspielerin als verlässliche Größe im Avantgarde-Pop etabliert. Ihre knallbunte Ästhetik und offensichtliche Fashionaffinität machten Ebony Bones schnell zum Liebling der Kunst- und Modewelt. Auch in der Werbung wurden ihre postpunkigen, an Dub und Jungle angelehnten Songs gerne verwendet.

Dabei ist Ebony Bones sicherlich mehr als ein ästhetisch ausgefeiltes Marketingprodukt: Sie schreibt und produziert ihre Songs selbst – Letzteres ist noch immer eine rare Ausnahme unter Musikerinnen. Zudem betreibt sie ihr eigenes Label namens 1984 Records, dreht selbst ihre Videos und kollaboriert mit Musiker*innen wie Yoko Ono. Als ich mir zur Vorbereitung auf dieses Interview ihr drittes Studioalbum „Nephilim“, das dieser Tage erscheint, anhöre, wird außerdem schnell klar: Ebony Bones hat einiges zu sagen.

© Antonello Trio

Deine Musik wird häufig als eklektisch beschrieben, da du dich in vielen verschiedenen Genres bewegst. Ich finde diese Beschreibung redundant, denn strikte Genregrenzen sollten heute keine Rolle mehr spielen. Dennoch interessiert mich die Tatsache, dass du auf den beiden letzten Alben mit klassischen Orchestern aus nicht westlichen Kontexten zusammengearbeitet hast, einmal mit dem Symphonieorchester Mumbai und nun mit dem Philharmonischen Orchester in Peking, wo auch Teile des Albums aufgenommen wurden. Was war die Idee dahinter? Heutzutage geht es nicht nur um die Musik selbst, sondern auch darum, wo sie produziert wurde und von wem. Es war eine bewusste Entscheidung, mit Orchestern außerhalb Europas zu arbeiten. Aus einer Punk-Haltung heraus wollte ich die Vorstellung hinterfragen, klassische Musik sei vor allem für und von weißen Männern gemacht. Es ist eine ziemlich elitäre Musik, und ich wollte sehen, inwiefern sich das verändern lässt. Es ging mir auch darum, das Genre für Menschen zu öffnen, die sich bisher nicht darin wiedergefunden haben, und europäische Orchester zu ermutigen, sich diverser aufzustellen. Insgesamt denke ich, dass kein Genre überleben kann, das sich nicht für Einflüsse von außen öffnet. Ohne diese Diversität, insbesondere in Bezug auf Gender, hat es keine Zukunft. Wir sehen heute einige Genres, denen es so geht, weil sie es versäumt haben, sich zu öffnen. Im Indierock bspw. waren People of Color lange Zeit außen vor, wohingegen HipHop allen die Türen geöffnet hat. Dadurch hat sich das Genre weiterentwickelt. Aber ganz ehrlich: Genres sind für die Plattenkisten – ich weiß das aus eigener Erfahrung, denn mein Vater hat Platten am Brixton Market in London verkauft.

Dein neues Album „Nephilim“ ist in vielerlei Hinsicht filmisch – einerseits klingt es dank der Orchestrierung nach großem Kino, andererseits erzählt es sehr bewegende Geschichten. Beim Hören habe ich versucht, mir den Film vorzustellen, der zu diesem Soundtrack passen könnte: eine coole Sci-Fi-Vision mit dystopischen Untertönen. Geht es vielleicht weniger um die Zukunft als um unsere Gegenwart?
Ja, genau. Zum einen ist das Album der Soundtrack zu meinem jetzigen Leben, zum anderen wollte ich etwas erschaffen, das Menschen über die nächsten Jahre hinweghelfen würde. Das Dystopische ist dabei natürlich kein Zufall:

Die von mir gegründete Plattenfirma heißt 1984 Records, nach dem Roman von George Orwell. Und tatsächlich fühlt sich die Gegenwart gerade so an – nach Trump, Brexit, dem allgemeinen Erstarken von Nationalismus. Es sind bewegte Zeiten, die eigentlich Treibstoff für die Kunst sein sollten – und es in den USA definitiv auch sind –, aber gerade in Europa ist die Musikszene so konservativ wie lange nicht mehr. Vielleicht dauert es hier einfach länger, bis die Leute realisieren, womit wir es gerade zu tun haben.

Was hilft dir dabei? Für mich war es wichtig, London gleich zu Beginn meiner Karriere zu verlassen, um aus der Ferne vieles klarer zu sehen und zu hinterfragen. Ich habe mich in Großbritannien immer wie eine Außenseiterin gefühlt, mehr Touristin denn Staatsbürgerin. Das ist ein seltsames Gefühl. Irgendwann merkst du, dass es daran liegt, dass du und alle, die so aussehen wie du, als Bürger*innen zweiter Klasse behandelt w…