Von Elisabeth Bauer

Herausfordernd blicken die beiden jungen Frauen auf dem Foto den Betrachter*innen entgegen.  Aufrecht stehen sie sich gegenüber, in Jeans, weißer Bluse und schwarzem Shirt. Im Posieren sind sie geübt, sicher bewegen sie sich vor der Kamera. Doch ausnahmsweise sind ihre Körpermaße heute egal, denn sie werben nicht für Kleidung, Schmuck oder Kosmetik, sondern für ihre eigene Initiative.

Es ist der 25. Januar, als auf zahlreichen Timelines auf Facebook und Instagram ein Aufruf auftaucht: „Model Law is the first organization in France to defend, support and empower models. Sign our manifesto today #ModelLaw #MyJobShouldNotIncludeAbuse #empower.“ Autorinnen des Manifests sind Ekaterina Ozhiganova und Gwenola Guichard – die beiden arbeiten als Models und lernten sich vor etwa drei Jahren bei einem Shooting für ein Modemagazin in Paris kennen, das, obwohl ein renommierter Stylist und eine international

erfolgreiche Fotografin mitwirkten, wieder mal unbezahlt war.

Ozhiganova – 26 Jahre alt, studierte Übersetzerin, freiberufliche Fotografin, Model – erinnert sich an diesen Tag. „Gwenola und ich redeten viel über Transparenz und wie schwierig es ist, die Kontrolle über unser Berufsleben zu behalten“, sagt sie. In der Modebranche sprach zu dieser Zeit noch niemand von sexualisierter Belästigung oder Empowerment. Doch die beiden waren sich einig: Die von ihnen bemerkten Missstände waren keine Einzelfälle, sondern symptomatisch für eine ganze Industrie, die in hierarchischen Strukturen angelegt ist.

Als sich im letzten Jahr negative Schlagzeilen häuften – etwa, als im Frühjahr 2017 Fotos durch die Netzwerke flimmerten, die Mädchen im Pariser Balenciaga-Hauptquartier in einem dunklen Treppenhaus eingepfercht zeigten, wartend auf ihren Casting-Auftritt –, wollten sie nicht länger stillschweigen. Beide …